Vorbehalt: In sieben Worten zur Vertragsstrafe
Bedeutsame Lockerung: Ein Vorbehalt ist ausnahmsweise nicht notwendig, wenn der Auftraggeber bereits einen Vertragsstrafenanspruch hat und mit diesem Anspruch gegen einen Anspruch des Auftragnehmers aufrechnet. Hierfür musste der BGH von einer Entscheidung aus dem Jahr 1982 abweichen.

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Wieviel Geld kann es kosten, sieben Wörter zu vergessen? Der von mir beobachtete Höchstwert liegt bei 400.000 Euro. Das ist je vergessenem Wort ein stolzer Preis. Aber auch bei kleineren Summen ist der Unterschied spürbar. Worum geht es? Es geht um den sogenannten Vorbehalt einer Vertragsstrafe. In vielen Bauverträgen sind Vertragsstrafen vereinbart, üblich sind 5 % der Auftragssumme. Damit der Auftraggeber diese Vertragsstrafe abziehen kann, müssen eine Reihe von Voraussetzungen vorliegen.

Der Auftraggeber muss sich eine Vertragsstrafe bei der Abnahme (und die Ausnahmen sind Gegenstand dieses Artikels) vorbehalten, sonst verfällt sie vollständig und endgültig. Die erforderlichen sieben Worte sind also: „Der Auftraggeber behält sich die Vertragsstrafe vor.“ Wann sich Auftragnehmer über das Fehlen dieses Satzes freuen kann und wann nicht, ist wegen eines neuen Urteils des Bundesgerichtshofes eines der Themen dieses Artikels. Aber auch die anderen Voraussetzungen, die für den Anfall einer Vertragsstrafe erforderlich sind, werden erläutert.

Voraussetzungen der Vertragsstrafe

Eine Vertragsstrafe fällt nicht von Gesetz wegen (oder bei vereinbarter Geltung der VOB/B) an, sondern muss ausdrücklich im Vertrag vereinbart werden. Bei dieser Vertragsklausel muss man etwas aufpassen. Es muss klar sein, für welchen Fall die Vertragsstrafe vereinbart wird. Weiter sind Obergrenzen je Kalendertag und bei der Gesamthöhe zu beachten (0,1 % und 5 % werden für wirksam gehalten), der Anfall muss an ein Verschulden gebunden werden, und bei mehreren gestaffelten Vertragsstrafen-Terminen (also für Zwischentermine und Endtermin) ist eine Anrechnung vorzusehen. Das sind ganz grob die wichtigsten Vorgaben für die Formulierung dieser Klausel.

Dann müssen diese Voraussetzungen natürlich auch vorliegen. Das häufigste Streitthema in der Praxis ist die Frage, ob der Auftragnehmer einen Termin verschuldet oder unverschuldet überschritten hat. Dabei spielen Behinderungsanzeigen eine große Rolle. Der Auftragnehmer muss sich vor Anfang an überlegen, ob er Behinderungen anzeigen will oder nicht. Wenn der Auftragnehmer keine Behinderungsanzeige macht, kann er sich später auch nicht gegen eine Vertragsstrafe wehren – außer die Behinderung war für den Auftraggeber offensichtlich, was aber als Hilfsargument in der Regel schwach ist.

Die bei manchen Unternehmen anzutreffende, sehr honorige Einstellung, man gehöre nicht zu denjenigen, die mehr schreiben als bauen, kann bei einem Bauverzug daher leider viel Geld kosten. So sehr sich ein Bauherr über eine reibungslose Baustelle ohne Behinderungsanzeigen freut, so wenig wird er freiwillig auf eine Vertragsstrafe verzichten.

Fristüberschreitung und Verschulden

Bisher mag der Eindruck entstehen, dass die Anforderungen für das Entstehen eines Vertragsstrafenanspruchs eher (aus Sicht eines Auftragnehmers) niedrig sind. Dieser erste Eindruck täuscht jedoch.

Auftraggeber können nur dann eine Vertragsstrafe geltend machen, wenn eine Verzögerung durch den Auftragnehmer verschuldet wurde. Diese Voraussetzung muss sich bereits ganz deutlich in der Formulierung der Vertragsstrafe finden. Gesetz und Rechtsprechung sind ziemlich reserviert gegenüber Vertragsstrafen. Ein Abzug von 5 % „einfach so“ soll nicht möglich sein.

Deswegen ist die Rechtsprechung ziemlich empfindlich, wenn die Formulierung der Vertragsstrafe nicht eindeutig ein Verschulden verlangt. Jeder Fehler in der Formulierung führt aber dazu, dass eine Vertragsstrafe überhaupt nicht verlangt werden kann, die Klausel ist vollständig unwirksam. Dabei lässt sich die Rechtsprechung von dem Gedanken leiten, dass es Auftraggebern ja durchaus möglich ist, eine wirksame Vereinbarung zu formulieren. Wenn dem Auftraggeber das nicht gelingt, ist er eben selber schuld – das ist verkürzt gesagt die Argumentation der Rechtsprechung.

Genau das gleiche gilt für die Vereinbarung von Terminen: Der Auftraggeber hat es schließlich in der Hand, mit dem Auftragnehmer feste Termine zu vereinbaren oder es zu lassen. Nach der VOB/B sind Termine in einem Bauzeitenplan nicht verbindlich im Sinne einer Vertragsstrafe. Manchmal wollen sich Auftraggeber aber auch den genauen Beginn der Baumaßnahme offenlassen, wenn ihnen beispielsweise noch die Finanzierung fehlt. Ohne genaue kalendarische Festlegung im Vertrag wird es dann sehr schwierig, eine Vertragsstrafe durchzusetzen.

Ist aber ein solcher Termin vereinbart und wurde er vom Auftragnehmer unterschritten, muss der Auftragnehmer seine „Unschuld“ beweisen – und dazu u.a. die erforderlichen Behinderungsanzeigen.

Vorbehalt

Hoch sind auch die Voraussetzungen auf der formalen Seite. Damit der Auftraggeber eine Vertragsstrafe geltend machen können, müssen erst einmal inhaltliche Voraussetzungen vorliegen: Vereinbarung, Eintreffen der Bedingungen, Verschulden. Und dann ist noch ein formaler Akt erforderlich: Der Auftraggeber muss sich die Vertragsstrafe vorbehalten. Das BGB sagt ausdrücklich, dass dies bei der Abnahme erfolgen muss.

Der dafür erforderliche Satz („Der Auftraggeber behält sich die Vertragsstrafe vor.“) muss also bei der Abnahme erklärt werden. Eine besondere Form ist nicht erforderlich, theoretisch kann der Auftraggeber diesen Vorbehalt also auch mündlich erklären.

Der Auftraggeber muss aber sehr vorsichtig sein: Wenn er diesen Vorbehalt nicht erklärt oder nicht zum richtigen Zeitpunkt oder wenn er nicht beweisen kann, dass er ihn erklärt hat, kann er die Vertragsstrafe nicht geltend machen. Diese Erklärung kann grundsätzlich weder nach der Abnahme noch vorher (von einer neuen, wichtigen Ausnahme abgesehen, dazu gleich mehr) abgegeben werden. Ist also die Abnahme erklärt, das Abnahmeprotokoll unterschrieben, dann ist die Frage des Vorbehaltes auf jeden Fall erledigt, so oder so.

Um Auftragnehmer vor falscher Sicherheit zu warnen: Die Vertragsstrafe ist letztlich nur eine besondere Art, den durch eine Verzögerung bedingten Schaden geltend zu machen. Der Auftraggeber kann auch den tatsächlichen Schaden geltend machen, wenn der Auftragnehmer eine vereinbarte Ausführungsfrist verschuldet überschreitet. Der ganz große Unterschied zur Vertragsstrafe liegt bei der Berechnung und den vom Auftraggeber vorzulegenden Nachweisen: Bei der Vertragsstrafe muss der Auftraggeber nur die vereinbarten Prozentsätze ausrechnen und abziehen, beim Verzugsschaden muss er den gesamten Schaden „Cent für Cent“ errechnen und nachweisen. Das begründet die große „Beliebtheit“ von Vertragsstrafen bei Auftraggebern. Verzugsschaden kann der Auftraggeber auch ohne Vorbehaltserklärung geltend machen, dies bleibt ihm also als Rückfallmöglichkeit.

Vorbehalt in Sondersituationen

Nicht jedes Bauvorhaben endet mit einer friedlichen gemeinsamen Abnahme. Wie ist es z.B. mit dem Vorbehalt, wenn der Auftraggeber oder der Auftragnehmer den Vertrag vorzeitig kündigt?

Der Auftraggeber darf einen Bauvertrag jederzeit ordentlich kündigen, und natürlich gibt es auch viele Kündigungen aus wichtigem Grund. Mit der Kündigung ist der Bauvertrag für die Zukunft beendet. Nur die ausgeführten Leistungen unterfallen noch der Gewährleistung. Der Auftragnehmer darf hierfür die vereinbarte Vergütung abrechnen (und bei der ordentlichen Kündigung auch Teile davon für die nicht ausgeführten Leistungen). Die Rechtsprechung verlangt auch in diesem Fall eine Abnahme der Leistungen. Auftraggeber haben an dieser Abnahme aber meist kein Interesse, da z.B. mit dem Zeitpunkt der Abnahme auch genau der Beginn der Gewährleistung feststehen würde, außerdem hält die Durchführung der Abnahme die vielleicht schnell fortschreitende Beendigung des Vorhabens auf.

Auftragnehmer hingegen sind durchaus an einer Abnahme interessiert, so können sie diese nutzen, um den erreichten Leistungsstand zu dokumentieren. Sehr oft wird aber dennoch keine Abnahme durchgeführt.

In diesem Fall gilt die Abnahme nach einer gewissen Zeit als abgenommen. Dieses „nach einer gewissen Zeit“ klingt nicht nur ähnlich wie „irgendwann“, die Ergebnisse sind ähnlich. Dem Auftraggeber steht nämlich eine Prüffrist zu. Erst nach dieser im Einzelfall zu ermittelnden Prüffrist ist die Leistung abgenommen. Und der Vorbehalt muss vom Auftraggeber vor Ablauf dieser Prüffrist erklärt werden. Dazu muss der Auftraggeber aber wissen und zugeben, dass die Prüffrist läuft und dies rechtzeitig vor Ablauf des objektiv zu ermittelnden Zeitraumes.

Auftragnehmer haben aber auch die Möglichkeit, auf den Zeitpunkt der Abnahme Einfluss zu nehmen und so auch den Zeitpunkt für den Vorbehalt zu beeinflussen. Wenn der Auftraggeber nicht von sich aus die Leistung abnimmt, kann der Auftragnehmer dem Auftraggeber eine Frist für die Abnahme setzen. Dies ergibt sich aus § 641 Abs. 2 BGB. Erklärt der Auftraggeber nicht von sich aus innerhalb dieser Frist die Abnahme, dann gilt die Leistung mit Fristablauf als abgenommen. Und es endet die Frist zur Erklärung des Vorbehaltes! Hat der Auftraggeber nicht rechtzeitig reagiert und den Vorbehalt erklärt, ist die Vertragsstrafe nicht mehr durchsetzbar.

Man könnte jetzt auf die Idee kommen, all diesen Problemen vorzubeugen, indem der Auftraggeber einfach vorab den Vorbehalt erklärt. Er könnte ja bereits mit der Kündigung auch den Vorbehalt der Vertragsstrafe erklären. Das ist aber nicht zulässig, denn der Vorbehalt muss eben nicht „irgendwann vor oder nach“ der Abnahme, sondern „bei“ der Abnahme erklärt werden. Auch da ist die Rechtsprechung ganz streng.

Und gerade jetzt gab es eine wichtige Lockerung. Ein Vorbehalt ist ausnahmsweise nicht notwendig, wenn der Auftraggeber bereits einen Vertragsstrafenanspruch hat und mit diesem Anspruch gegen einen Anspruch des Auftragnehmers aufrechnet. Das gibt dem Auftraggeber eine wichtige Handlungsmöglichkeit in allen Fällen, in denen er wegen Verzug des Auftragnehmers kündigen will. Er kann also bereits mit der Kündigung die Aufrechnung erklären und so seine Vertragsstrafe sicher retten. Das klingt erst einmal wenig spektakulär, aber zum einen gibt es diese Fälle relativ häufig (und gerade wenn die Vertragsstrafe besonders wichtig ist), und zum anderen musste der Bundesgerichtshof hierfür mit seinem Urteil vom 05.11.2015 (VII ZR 43/15) von einer mehr als 30 Jahre alten Entscheidung aus dem Jahr 1982 abweichen – und das kommt ziemlich selten vor.

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Fazit

Der Vorbehalt der Vertragsstrafe ist eine oft entscheidende formale Voraussetzung für die Durchsetzung. Auftraggeber müssen hiermit sehr sorgfältig umgehen. Verpassen sie den richtigen Zeitpunkt, entfällt die Vertragsstrafe vollständig und endgültig. bi

Dieser Artikel ist zuerst erschienen im B_I baumagazin, Ausgabe 3+4/2016


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