BIM-Kompetenz für den öffentlichen Bau gebündelt

Ab 2020 sollen alle Infrastruktur- und teils auch Hochbauprojekte des Bundes mit BIM realisiert werden. Aktuell beginnt der Aufbau eines nationalen BIM-Kompetenzzentrums, den Zuschlag für das BIM-KompZ hat die planen-bauen 4.0 erhalten. Leiter Dr. Jan Tulke erläutert im Interview mit dem B_I baumagazin, welche Aufgaben die neue Institution haben wird.

BIM-Kompetenz für den öffentlichen Bau gebündelt
Die Deutsche Botschaft in Wien wird eines der Pilotprojekte sein, das vom Bund mit BIM geplant und realisiert wird. | Abb.: planen-bauen 4.0

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Das BIM-Kompetenzzentrum (BIM-KompZ) soll als zentrale Anlaufstelle zu allen Bauprojekten der öffentlichen Hand aufgebaut werden. Auf Initiative des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur und des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) wurde das Projekt im Juli auf den Weg gebracht. Mit der Planung und dem Betrieb wurde die planen-bauen 4.0 GmbH beauftragt. Aufgabe des Zentrums wird sein, Erfahrungen und Erkenntnisse zur Planungsmethode BIM zu bündeln, das so gewonnene Wissen von Experten aufzuarbeiten und durch Veranstaltungen und die Entwicklung von Fortbildungskonzepten weiterzuvermitteln. Wir sprachen mit dem Leiter des BIM-KompZ über die Aufgaben des Zentrums.
„Es geht darum, die Digitalisierung bei den öffentlichen Bauherren und deren nachgelagerten Behörden einzuführen.“ Dr. Jan Tulke, Leiter des BIM-Kompetenzzentrums
„Es geht darum, die Digitalisierung bei den öffentlichen Bauherren und deren nachgelagerten Behörden einzuführen.“ Dr. Jan Tulke, Leiter des BIM-Kompetenzzentrums

B_I: Warum, Herr Dr. Tulke, brauchen wir ein BIM-Kompetenzzentrum?
Dr. Tulke: Es geht darum, die Digitalisierung bei den öffentlichen Bauherren und deren nachgelagerten Behörden einzuführen. Die Idee dazu geht zurück auf die Reformkommission Großprojekte und dem darauf folgenden Aktionsplan, digitale Methoden stärker einzusetzen. Die Bundesministerien stehen dabei als Auftraggeberorganisation an der Spitze. Aber es gibt ja noch viele nachgelagerte Behörden und auch unterschiedliche Organisationsstrukturen, beispielsweise die Bereiche Straße, Wasserstraße, Schiene und Bahn und den Bundeshochbau, die zum Teil ja auch – bedingt durch die föderale Struktur – dezentral organisiert sind.

Es soll vermieden werden, dass an vielen Stellen die gleiche Arbeit gemacht wird. Wir geben quasi eine Hilfestellung, wie die Digitalisierung in dem jeweiligen Arbeitsbereich eingeführt werden kann.

B_I: Das Kompetenzzentrum soll also zunächst für die Bauvorhaben des Bundes tätig sein?

Dr. Tulke: Genau. Aber im Infrastrukturbereich sind ohnehin 90 Prozent aller Projekte Bundesprojekte. Im Hochbau ist der Anteil deutliche kleiner, dennoch geht vom Bundesbau auch hier eine Signalwirkung aus.

B_I: Erhofft man sich von dem BIM-Kompetenzzentrum, dass es bezüglich der Digitalisierung eine Vorreiterrolle haben könnte?

Dr. Tulke: Vorreiterrolle ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Der Bund möchte natürlich eine gewisse Vorbildfunktion einnehmen als Bauherr. Zu bedenken ist auch, dass der Bundesbau durch die Landesbehörden durchgeführt wird. Dadurch entsteht natürlich ein Kompetenzaufbau, wenn im Bundesbau digitale Methoden angewandt werden. Das ist mit der Hoffnung verbunden, dass sich das dann vervielfältigt in entsprechenden Landesbauprojekten. Das beobachten wir jetzt schon bei den Pilotprojekten, die vom Bund gefördert wurden. Es gibt hier bereits Pilotprojekte nicht nur für den Infrastrukturbau, sondern auch für den Hochbau. Derzeit begleiten wir zwei Hochbauprojekte: Die Deutsche Botschaft in Wien und einen Erweiterungsbau für das Amt für Strahlenschutz in Berlin. Davor gab es schon das Berliner Schloss (Humboldt-Forum) und verschiedene andere Projekte, bei denen einzelne Anwendungsfälle mit BIM umgesetzt wurden.

B_I: Wie sieht eine Begleitung praktisch aus?
Dr. Tulke: Das ist sehr unterschiedlich. Teilweise ist es eine eher beobachtende Rolle, beispielsweise bei den Bahnprojekten. Da ging es darum zu analysieren, wieweit dort die BIM-Nutzung bzw. -Umsetzung erfolgt. Bei der Analyse mittels der Reifegradmetrik, die wir entwickelt haben, konnten wir den Grad der Umsetzung ermitteln und klären, wo es Schwierigkeiten gab und wo ein Nutzen entstanden ist.

B_I: Welche Möglichkeiten haben Sie, korrigierend einzugreifen oder zu intervenieren?

Dr. Tulke: Bei einer rein beobachtenden Rolle eher keine, in anderen Fällen haben wir schon eine beratende Rolle. Wir können konkrete Empfehlungen geben, wir können Schulungsmaßnahmen anbieten und auch zum Beispiel die Erarbeitung von Ausschreibungsunterlagen unterstützen. Wir haben auch vereinzelt Anwendungsfälle prototypisch selbst umgesetzt oder eine modellbasierte Terminplanung erstellt, um die BIM-Methode in ein Projekt einzuführen. Bei vielen Pilotprojekten ist es ja so, dass BIM nachträglich in die Projekte eingeführt wurde.

B_I: Wie sind bisher die Erfahrungen?
Dr. Tulke: Grundsätzlich positiv. Natürlich muss man immer bedenken, dass es anfangs eine gewisse Einführungslernkurve und offene Fragen gibt. Aber grundsätzlich ist es so, dass die Mitarbeiter einen Mehrwert erfahren, im Sinne von Transparenz, im Sinne von Qualität der Planung mit Auswirkung auf andere Prozesse. Das alles hat auch dazu geführt, dass beispielsweise der Finanzierungsvorbehalt für BIM-Projekte nun aufgehoben wurde. Den gab es nämlich im Bereich der Bahn, bevor sich erwiesen hatte, dass die BIM-Methode heute umsetzbar ist und dass sich dabei Mehrwerte ergeben.

B_I: Gab es Widerstände bei den Unternehmen?
Dr. Tulke: Sehr unterschiedlich. Vorbehalte gibt es sowohl bei Behörden als auch bei Firmen. Vor allem bei denjenigen, die noch keine Erfahrung haben und das als Herausforderung sehen. Das betrifft aber alle, sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer.

B_I: Könnte das Kompetenzzentrum auch jenseits der öffentlichen Projekte eine orientierende Rolle spielen?

Dr. Tulke: Das glaube ich auf jeden Fall. Alles was an Handreichungen entwickelt wird und veröffentlicht wird, wird orientierend wirken. Wir entwickeln ja auch ein BIM-Portal, also ein IT-System, das öffentliche Bauherren unterstützt, ihre Datenanforderungen im Detail zu definieren, um dann im Weiteren gelieferte Modelldaten überprüfen zu können. Die Standardisierung dieser Anforderungen ist ein großes Projekt, das ansonsten viele Unternehmen jeweils für sich machen müssten. Deswegen wird man sicherlich dankbar sein, wenn es eine zentrale Orientierung gibt.

B_I: Wird es für den Hochbau auch einen Drei-Stufen-Plan geben?
Dr. Tulke: Es ist jetzt Aufgabe des Kompetenzzentrums, eine gemeinsame Strategie nach 2020 für Hoch- und Infrastrukturbau zu entwickeln.

B_I: Am BIM-Stufenplan gab es seinerzeit Kritik an der „von oben“ verordnete Einführung der BIM-Methode. Rechnen Sie mit ähnlicher Kritik am Kompetenzzentrum?

Dr. Tulke: Das war ja eine Einführungsstrategie der Bauherren, damals das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Die Einführungsstrategien der Unternehmen müssen die Unternehmer selber gestalten. Das ist ja nicht zentral von der Politik verordnet. Wir werden versuchen, die BIM-Methode zu fördern und zu unterstützen, indem wir die Standardisierung vorantreiben, Informationen anbieten und Hilfsmittel in Form von Veröffentlichung bereitstellen. Aber wie die konkrete Umsetzung im eigenen Unternehmen aussieht, ist auch vom Unternehmen abhängig, zum Beispiel ob es sich um einen Generalunternehmer handelt oder um einen Handwerksbetrieb.

Aber es zeigt sich jetzt, dass die gesamte Digitalisierung von der Politik, von der öffentlichen Hand aufgegriffen wurde. Und wenn man sieht, was sich jetzt im Bereich Softwaremarkt, im Bereich Baumaschinen tut, muss es im eigenen Interesse jeden Unternehmens sein, sich damit zu befassen und zu überlegen, wie man diese Technik nutzt.

B_I: Empfehlen Sie bestimmte BIM-Softwareprogramme?
Dr. Tulke: Nein, das machen wir nicht. Es ist unsere Strategie, das „Open BIM“ voranzubringen, also den Austausch der Daten auf Basis offener Datenstandards. Planer, Ausführende und sonstige Projektbeteiligte können dann mit der Software arbeiten, die für ihre Prozesse am besten geeignet ist, um sich auf der Basis der offenen Datenstandards ins Projekt integrieren zu können. Es war auch schon ein Fokus in der Vergangenheit, die offenen Datenstandards weiterzuentwickeln. Im Bereich der Modelldaten ist das IFC-Format das relevante Format, was aber eher aus dem Bereich Hochbau kam und was aktuell für den Bereich Infrastrukturbau weiter entwickelt wird.

Es ist auch Gegenstand des Kompetenzzentrums, eine Normungsstrategie zu entwickeln. Dabei sollen die Anwendungsfälle der BIM-Methode, die jetzt schon im Szenario des Verkehrsministeriums definiert sind, auf der Basis offener Datenformate umsetzbar sein.

B_I: Das kürzlich veröffentlichte Handbuch der EU BIM Task Force zeigt Möglichkeiten und Vorteile der Digitalisierung für die europäische Bauwirtschaft auf. Gab es eine Zusammenarbeit mit der Task Force?

Dr. Tulke: Ja, wir waren beratend tätig. Grundsätzlich ist das ein Gremium, das quasi die Vertreter der öffentlichen Bauherren der verschiedenen Mitgliedsstaaten umfasst. Zielsetzung war, dass der gemeinsame europäische Binnenmarkt nicht zu sehr auseinanderdriftet. Einige Länder schreiten in der Digitalisierung des Bauwesens sehr stark voran, insbesondere die skandinavischen Länder und England. Deutschland gehört jetzt auch schon mit zu denen, die voranschreiten, während andere Länder das Thema noch gar nicht aufgreifen.

B_I: Tatsächlich?
Dr. Tulke: Vom strategischen Ansatz gab es sicherlich Länder, die das Thema Digitalisierung früher aufgegriffen haben. Aber zwischenzeitlich wird auch schon neidisch auf Deutschland geschaut. Bei uns wurden durchaus Grundlagen gelegt, beispielsweise beim Datenformat IFC. Die weltweite Zertifizierung von Software für die IFC-Schnittstelle findet nach wie vor in Deutschland statt.

Die 19 Partner des Konsortiums decken alle erforderlichen Kompetenzen im Hoch- und Infrastrukturbau ab. | Abb.: planen-bauen 4.0
Die 19 Partner des Konsortiums decken alle erforderlichen Kompetenzen im Hoch- und Infrastrukturbau ab. | Abb.: planen-bauen 4.0

B_I: Wie ist das Kompetenzzentrum strukturiert, wer sind die Partner?
Dr. Tulke: planen-bauen 4.0 hat den Auftrag für den Aufbau und Betrieb des Kompetenzzentrums erhalten. Wir stellen die Geschäftsstelle und übernehmen die Gesamtprojektleitung.

Um die vielfältigen Kompetenzen abzudecken, haben wir insgesamt 18 weitere Partner eingebunden. Wir haben zum Beispiel den Bereich Planen, Bauen und Betreiben mit verschieden Firmen abgedeckt. Der Bereich Softwareentwicklung wird durch einen professionellen IT-Dienstleister abgedeckt und konzeptionell von Universitäten begleitet. Für die Öffentlichkeitsarbeit ist eine Agentur zuständig. Außerdem gibt es noch den Bereich Beratung und Entwicklung von Schulungskonzepten und den Bereich Normungsstrategien.

Es wird regelmäßige sogenannte Dialogforen geben. Das ist einmal im Jahr eine größere Veranstaltung mit bis zu 400 Teilnehmern. Daneben gibt es jährlich kleinere Dialogforen, wo im Wesentlichen die Verbände als Dialogpartner mit eingeladen werden.

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B_I: Welche Empfehlung würden Sie abschließend der deutschen Bauwirtschaft geben?

Dr. Tulke: Unternehmen sollten sich auf jeden Fall mit dem Thema Digitalisierung befassen und das nicht nur wegen des Druckes der Auftraggeberseite, sondern immer auch aus Eigenmotivation. Und sich fragen: Wo kann ich selber für meine Geschäftsbereiche, für meine Arbeitsweisen Mehrwerte aus der Digitalisierung ziehen, und zwar unabhängig davon, ob ich von außen dazu verpflichtet werde oder nicht. Wer Erfahrungen gesammelt hat, tut sich später leichter, wenn mit anderen Projektpartnern digitale Projekte in Angriff zu nehmen sind. Nur aus externer Motivation kann man das nicht vorantreiben.

B_I: Vielen Dank, Herr Dr. Tulke, für das Gespräch.



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