Kann die Wohnraumförderung mehr Wohnungen schaffen?

Zum 1. März 2023 ist das neue Förderprogramm „Klimafreundlicher Neubau“ des Bundes in Kraft getreten. Heute hat das Wohnungsbauministerium die Zinskonditionen bekanntgegeben. Aber kann die neue Wohnraumförderung eine Trendwende im kriselnden Wohnungsbau einläuten? Dietmar Walberg, Leiter der Kieler Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen, hat daran erhebliche Zweifel.

Kann die neue Wohnraumförderung mehr Wohnungen schaffen?
Der Wohnungsbau in Deutschland ist eingebrochen. Es fehlt vor allem bezahlbarer Wohnraum im mittleren und niedrigen Segment. Daran wird auch die neue Wohnraumförderung nichts ändern. | Foto: KLB Klimaleichtblock

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Gerade mal rund 280.000 statt der geplanten 400.000 neuen Wohnungen sind im letzten Jahr in Deutschland entstanden. Für 2023 rechnet das Baugewerbe nur noch mit rund 245.000. Dramatischer sieht es im geförderten sozialen Wohnungsbau aus: Im Jahr 2022 wurden statt der geplanten 100.000 jährlichen Sozialwohnungen lediglich rund 20.000 neue Sozialwohnungen errichtet. Die nun freigegebenen Mittel in Höhe von 14 Milliarden für die Bestandssanierung und 1,1 Milliarde für den klimafreundlichen Neubau zeige, dass der Wohnungsbau für den Bund nicht interessant sei – sagen Experten der Immobilienwirtschaft. Die Förderung erfolgt über zinsverbilligte Kredite. Die Fördergrenze liegt bei 100.000 Euro pro Wohneinheit bzw. bei 150.000 Euro pro Wohneinheit in einem besonders klimafreundlichen Wohngebäude.

Jetzt hat die Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen die Zinskonditionen bekanntgegeben: So ermöglicht eine hohe Zinsverbilligung beispielsweise einen effektiven Endkundenzins in Höhe von 0,90 % p.a. bei einer Kreditlaufzeit von 35 Jahren und einer Zinsbindung von 10 Jahren. Wer einen Förderkredit mit einer Kreditlaufzeit von 10 Jahren bei einer 10-jährigen Zinsbindung beantragt, kann aktuell einen effektiven Endkundenzins in Höhe von 0,01 % p.a. erhalten.

Bauwirtschaft kritisiert neue Förderbedingungen

Bauverbände meldeten sich nach Bekanntgabe der neuen Förderung mit Kritik zu Wort: zu hohe Förderhürden, zu kurzfristig, zu wenig Fördermittel insgesamt. Die zu Beginn des Jahres angekündigte Neubauförderung und deren Bindung an das EH 40 Niveau sei zu ambitioniert, meinte Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe. Es stünden zu wenig Kapazitäten zur Zertifizierung und an technischer Ausrüstung zur Verfügung.

Der in Kiel ansässige Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen e.V. (VNW) hält die für den Wohnungsbau vorgesehene Förderung von 750 Millionen Euro für zu gering. „Die Wohnungsbauunternehmen wägen ab, wo sie investieren, im Bestand oder im Neubau“, hieß es bei dem VNW. Da aber der Druck für die energetische Sanierung im Bestand größer werde, liege der Fokus nun auf der Bestandsanierung. „Wenn wir heute neu bauen, liegen wir ohne Grundstückskosten bei 4.000 Euro pro Quadratmeter“, hieß es aus dem Verband. Dann müsse man Kalt-Mieten zwischen 17 und 18 Euro kalt nehmen, um eine schwarze Null zu schreiben. Da der Bund im bezahlbaren Bereich eine Miete von 6,70 Euro anstrebt, klaffe eine Lücke bei rund 10 Euro und mehr. Lob gab es vom VNW indes für die Wohnungspolitik der Länder Schleswig-Holstein und Hamburg. Nach dem Stopp der KfW-Förderung im vergangenen Jahr hätten Hamburg und Schleswig-Holstein gut reagiert und die Landesförderung deutlich erhöht.

Ifo prognostiziert Talfahrt im Wohnungsbau

Mit einem Blick über die Grenze prognostiziert das Ifo einen gesamteuropäisch stagnierenden Markt bis einschließlich 2024. Der europäische Bausektor sei in den Jahren 2021 und 2022 mit Steigerungen von + 5,8 % und + 3,0 % von einem Rückgang verschont geblieben. Insbesondere im deutschen Wohnungsbau sei nach 2025 jedoch mit einer Talfahrt zu rechnen.

Walberg zum Förderprogramm: "Damit kommt man nicht weit"

Im Januar stellte Bundesbauministerin Klara Geywitz das Förderprogramm „Klimafreundlicher Neubau“ (KFN) vor. Von dem 1,1 Milliarden-Paket sind 750 Millionen für den klimafreundlichen Wohnungsneubau und 350 Millionen Euro für die Förderung klimafreundlicher Eigenheime vorgesehen. Im Gespräch mit der Redaktion der B_I MEDIEN äußerte sich der Leiter der Kieler Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen ARGE, Prof. Dipl.-Ing. Architekt Dietmar Walberg, zu dem neuen Förderprogramm.

Dietmar Walberg über das neue Wohnraum-Förderungsprogramm des Bundes: "Damit kommt man nicht weit. Das ergibt etwa 5.000 bis maximal 7.500 Wohnungen, das ist fast vernachlässigbar." | Foto: B_I MEDIEN
Dietmar Walberg über das neue Wohnraum-Förderungsprogramm des Bundes: "Damit kommt man nicht weit. Das ergibt etwa 5.000 bis maximal 7.500 Wohnungen, das ist fast vernachlässigbar." | Foto: B_I MEDIEN

B_I: Andreas Breitner, Verbandsdirektor der norddeutschen Wohnungsunternehmen, warnte unlängst, dass im laufenden Jahr rund ein Drittel aller Wohnungsbauvorhaben auf Eis gelegt werden könnten. Teilen Sie seine Prognose?

Dietmar Walberg: Er gibt wieder, dass es auch im genossenschaftlichen Bereich aufgrund eines verzögerten Neustarts von Bauvorhaben ein Einbrechen in der Neubautätigkeit geben könnte. Nun ist es aber nicht so, dass Wohnungsbaugenossenschaften gar nichts tun. Sie werden ihre Bautätigkeit in die Modernisierung verlagern.

Zu Recht mahnt Breitner die ausgebliebene Bundesförderung an. Die Förderung ist gerade dann notwendig, wenn die frei finanzierten Teile der Bauvorhaben mit KfW-Mitteln gefördert werden. Das zeigte sich am Beispiel Hamburg. Hamburg hat deshalb dramatisch geringe Wohnraumförderungszahlen, nicht weil die Wohnraumförderung schlecht war, sondern weil die Projekte, die mit Bundesmitteln ausgestattet waren, nicht realisiert werden konnten.

Was die Wohnraumförderung insgesamt anbelangt, also geförderte Wohneinheiten und Nachfrage von Mitteln, hatten wir in Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr das erfolgreichste Jahr seit fünfzig Jahren. Auch in den ersten 14 Tagen dieses Jahres konnten wir eine Nachfrage für Projektanmeldungen verzeichnen, die wir sonst im ganzen Jahr erleben. Das neue Programm startet am 1. März mit einer Milliarde Euro, nur für Schleswig-Holstein. Das sind Mittel aus dem Zweckvermögen des Landes.

"Wir brauchen ein Zweckvermögen von 50 Milliarden Euro vom Bund für die Wohnraumförderung"

Wir haben unlängst der Bundesregierung vorgerechnet, dass es ein Defizit von 700.000 Wohnungen gibt. Es gibt eine Zuwanderung von 1,5 Millionen Menschen. Die Verbände haben unlängst darauf hingewiesen, dass ein Zweckvermögen von fünfzig Milliarden Euro auf Bundesebene für die Wohnraumförderung nötig ist. Schleswig-Holstein hat die Mittel noch.

Zusammen mit den Kompensationsmitteln des Bundes - 34 Millionen aus dem 1,5 Milliarden-Topf für soziale Wohnraumförderung - wird das auch nicht so viele Wohnungen schaffen, wie wir brauchten. Der Bund müsste also viel mehr tun als die jetzt aufgelegten 750 Millionen Euro. Das entspricht der alten KfW-Förderung. Und über die – ehrlich gesagt – kann man nur schmunzeln. Damit kommt man nicht weit. Das ergibt etwa 5.000 bis maximal 7.500 Wohnungen, das ist fast vernachlässigbar.

B_I: Ist es nicht so, dass der Bund selbst nicht fördert, sondern über die Länder fördern lässt?

Walberg: Genau, der Bund verteilt diese 1,5 Milliarden über den Königsteiner Schlüssel an die Länder, die das Geld für den Wohnungsbau ausgeben sollten. Das ist in den Ländern unterschiedlich geschehen. Es gab Länder, die haben faktisch nichts gemacht oder haben das Geld für Altschuldenausgleich oder anderes verwendet. Manche Länder geben das Geld auch zurück, weil sie es nicht ausgeben können. Denn die Mittel des Bundes sind gekoppelt an einen bestimmten Anteil an Landesmittel. Länder, die keine eigenen Haushaltsmittel haben, haben dann Probleme, die Mittel durchzureichen. Oder sie schaffen es nicht, aus diesen Mitteln ein attraktives Förderprogramm zu gestalten und dann verpufft das eben.

Schleswig-Holstein fördert aus dem landeseigenen Zweckvermögen zinslose Darlehen. Deshalb bleibt das Zweckvermögen dauerhaft erhalten, es ist ein revolvierender Fonds. Die Wohnungsunternehmen bekommen gesicherte Kreditmittel zum Nullzins. Sie werden über eine bestimmte Laufzeit, meist über 40 Jahre, abbezahlt. Die dynamische Investitionsrechnung der Förderbank stellt sicher, dass die Wirtschaftlichkeit des Projektes über Dauer und über die angenommene Miete, also die Sozialmiete plus den freifinanzierten Wohnungen, wirtschaftlich ist. Die zusätzlichen Kompensationsmittel des Bundes kommen obendrauf, als nicht rückzahlbare Zuschüsse. Im neuen Programm ab März werden wir bis zu 1.500 Euro Zuschuss je Quadratmeter fördern, für den sozialen Wohnungsbau. Die sind an eine Belegbindung gebunden, aber auch erst seit drei Jahren. Die Kompensationszahlungen für den sozialen Wohnungsbau werden an die Länder über einen Schlüssel ausgeschüttet.

"Eine Lebenszyklusanalayse hat noch niemand gemacht. Da stehen wir also komplett am Anfang."

B_I: Bundesbauministerin Geywitz möchte die jetzige Förderung an den EH 40-Standard binden. Was halten Sie davon?

Walberg: Neben dem EH 40 Standard, der ja vermeintlich zum Klimaschutz beitragen soll, will man zudem für die erhöhte Förderung die Nachhaltigkeitszertifizierung. Grundsätzlich soll es nur Geld geben, wenn eine Lebenszyklusanalayse vorliegt. Ich zähle das in dieser Reihenfolge auf, weil die Nachhaltigkeitszertifizierung im Wohnungsbau in Deutschland sehr dünn gesät ist. Die diesbezüglichen Projekte sind an einer Hand abzuzählen. Eine Lebenszyklusanalayse hat noch niemand gemacht. Da stehen wir also komplett am Anfang. Es gibt auch noch keinen Konsens über die Produktwerte der Baustoffe, weil es bisher auch noch keinen interessiert hat. Vielleicht hätte man es im experimentellen Bereich belassen sollen, oder im Forschungsbereich. Nun glaubt man, damit einen Beitrag zum sozialen Wohnraum zu schaffen. Leider sind wir davon Lichtjahre weit entfernt. Es ist eher lächerlich.

B_I: Müssen wir uns von der Zielvorstellung von 400.000 Wohnungen jährlich verabschieden?

Walberg: Jedenfalls sind wir meilenweit von den geplanten 100.000 Sozialwohnungen entfernt. Wir haben seinerzeit davor gewarnt, solche Zahlen zu nennen, und zwar schon deutlich vor dem 24. Februar 2022. Vor allem, wenn die Rahmenbedingungen nicht geschaffen werden. Es bewegt sich eher im homöopathischen Bereich. Auch das serielle Bauen kann nur einen Teilbeitrag leisten. Ein anderer Aspekt ist, dass der Median der Bauzeit von der ernsthaften Planung bis zum Einzug der Mieter sich im bezahlbaren Segment, also von unter 8,50 Euro, auf sechzig Monate verlängert hat. Das heißt, alles, was jetzt passiert, werden wir in fünf Jahren erleben. Die Länder Schleswig-Holstein und Hamburg versuchen durchaus, das zu fördern und auszugleichen, was der Bund nicht schafft, und versuchen alle Akteure ins Boot zu holen. Der Rest bewegt sich im luftleeren Raum. Man darf nicht übersehen, dass die Wohnungsnot auch soziale Spannungen verursachen kann. Nicht nur Flüchtlinge leben in Notlösungen.

B_I: Was würde ein drastischer Rückgang im Wohnungsbau für die Bauwirtschaft bedeuten?

Walberg: Fakt ist: Wenn jetzt die Nachfrage sinkt, werden die Unternehmen zu Kurzarbeit und Entlassungen greifen und – das Schlimmste – die Betriebe werden nach und nach aufgeben. Der demografische Wandel betrifft auch die Führungsebene, es werden Nachfolger für Bauunternehmen fehlen. Wenn es aber keine Nachfolger gibt, leidet auch die Attraktivität der Branche. Wahrscheinlich wird dann auch die Produktion der Baustoffe zurückfahren. Diese Erfahrung haben wir in den 90er Jahren gemacht. Ich besitze eine Karte von Schleswig-Holstein aus dem Jahr 1954, die 69 Ziegeleien im Land verzeichnet. Heute sind es null Ziegeleien. Ist die Produktion erst einmal heruntergefahren, ist es meist vorbei. Diese Szenarien sind das Schlimmste, was passieren kann.

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