Peter Hübner im Interview: Bauen in Corona-Zeiten
„Wir hatten in der Baubranche eine geringere Infektionsquote als im Bundesdurchschnitt“. Peter Hübner, Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie | Foto: Bauindustrie

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B_I: Zunächst gratulieren wir Ihnen zur Wiederwahl zum Präsidenten des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. Als Vorstandsmitglied der Strabag AG haben Sie auch praxisnahe Erfahrungen mit dem Baugeschehen. Wie ist die Bauindustrie bisher durch die Corona-Krise gekommen?

Hübner: Ich glaube, man kann schon sagen, dass die deutsche Bauindustrie bisher deutlich besser als die meisten anderen Branchen durch die Corona-Krise gekommen ist. Es wurde aber auch viel dafür getan. Wir haben im März sehr schnell Konzepte entwickelt, wie die Arbeit am Bau mit den vorgegebenen Hygienemaßnahmen und Abstandsregelungen organisiert werden kann. Und das ist uns wirklich exzellent gelungen.

Wir haben vom ersten Tag an regelmäßig mit der Politik, mit den Bauverwaltungen und mit den Ministerien kommuniziert und haben damit die Bedenken zerstreut, denn es war auch ein Lockdown der Bauwirtschaft im Gespräch. Den haben wir glücklicherweise verhindern können. Die Realität hat uns Recht gegeben, denn wir hatten in der Baubranche eine geringere Infektionsquote als im Bundesdurchschnitt, obwohl wir wirklich weitestgehend mit voller Kraft gearbeitet haben. Und darauf sind wir schon mächtig stolz. Die Geschäfte laufen immer noch, wir können weitestgehend unbeeinträchtigt arbeiten. So erwarten wir für 2020 ein Umsatzwachstum von nominal 3,5 %, real 0,5 %. Völlig offen ist allerdings, wie die Entwicklung 2021 aussehen wird.

B_I: Die Arbeiten am Terminal 3 am Frankfurter Flughafen mussten im Juli wegen Infektionsfällen teilweise eingestellt werden. Ist im Baugeschehen überhaupt Corona-sicheres Arbeiten möglich?

Hübner: Dass es einzelne Baustellen und Projekte gab und voraussichtlich noch geben wird, wo Corona-Fälle auftraten, ist völlig unbestritten. Wir haben beispielsweise auf das Thema Transport zu den Baustellen reagiert. Hier haben wir zum Beispiel den Firmen empfohlen, und die meisten haben sich auch darangehalten, dass die Busse nicht mehr voll, sondern nur zur Hälfte besetzt sein dürfen und dass alle Insassen Masken tragen, und dies lange bevor es die Maskenpflicht gab. Außerdem sollen die Mitarbeiter nur in Einzelzimmern übernachten, und es gibt versetzte Frühstückspausen. Wir haben einen wirklich großen Maßnahme-Katalog über den Verband erarbeitet und schnell herausgebracht. Er wurde in der Regel auch befolgt.

Dass es immer mal wieder Firmen gibt, gerade auch in den Sub-Sub-Verhältnissen im Hochbau, oft mit hohem Anteil an ausländischen Arbeitern, bei denen die Maßnahmen nicht Eins zu Eins umgesetzt werden, das ist einfach Fakt. Aber auch dort ist es uns im überwiegenden Maß gelungen, das Thema Corona gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Das Bauhauptgewerbe kam bisher unbeschadet durch die Corona-Krise. | Grafik: Bauindustrie
Das Bauhauptgewerbe kam bisher unbeschadet durch die Corona-Krise. | Grafik: Bauindustrie

B_I: Experten schließen nicht aus, dass die Bauindustrie – vielleicht zeitversetzt – die Krise zu spüren bekommt, vielleicht in ein, zwei Jahren. Teilen Sie diese Befürchtung?

Hübner: Die Gefahr besteht zweifellos. Wir sehen jetzt schon, dass sich die Anzahl der Ausschreibungen reduziert hat. Auch wenn wir im Moment noch nicht wissen, warum, wird in den Kommunen weniger ausgeschrieben. Das mag zwei Gründe haben: Während des Shutdown im März und April waren viele Mitarbeiter in den kommunalen Behörden im Homeoffice, obwohl sie dafür gar nicht eingerichtet sind. Viele Mitarbeiter haben noch nicht einmal ein transportables Endgerät, so dass sie von zu Hause aus relativ wenig arbeiten können. Die andere Seite ist die Frage der Finanzierung. Die Kommunen haben erhebliche Mehraufwendungen und müssen die finanziellen Lasten zum Teil allein stemmen. Es wird meist dort gespart, wo es sofort ausgabewirksam ist. Das wirkt sich dann als Einschränkungen der Investitionen aus. Es wird also weniger ausgeschrieben, befürchten wir. Deshalb fordern wir vom Bund und den Ländern, die Kommunen weiterhin zu unterstützen, auch den Förderanteil zu erhöhen, damit die Kommunen auch weiterhin ihre notwendigen Investitionen vornehmen können.

B_I: Ihre Kollegen aus Bayern haben die Eigenmittel fast verdoppelt, um die Kommunen zu stärken und um die Investitionstätigkeit überhaupt zu erhalten. Wäre das ein Modell, das bundesweit Schule machen sollte?

Hübner: Ja natürlich. Die meisten Kommunen sind unterfinanziert. Das hat auch damit zu tun, dass die Kommunen ihre Haushaltslage nicht wirklich in den Griff bekommen haben. Wenn sie jetzt auch noch unerwartet Mehrbelastungen durch eine solche Pandemie bekommen, dann gehen ihnen natürlich die finanziellen Mittel aus. Von daher fordern wir unablässig den Bund und die Länder auf, die Kommunen weiterhin zu fördern und zu unterstützen. Anders wird es nicht funktionieren.

Investitionen durch die Kommunen erzeugen Beschäftigung in der Fläche. Das sind nicht die großen Leuchtturmprojekte, die wir in Deutschland mit Terminal 3 in Frankfurt oder Stuttgart 21 haben, sondern das sind die Kommunen als Hauptauftraggeber für die Bauwirtschaft, und die müssen investieren, nicht nur um unsere Arbeitsplätze zu sichern, sondern um ihre Infrastruktur aufrecht zu erhalten.

B_I: Es gab Stimmen, die unter den derzeitigen Corona-Bedingungen das Vergaberecht einschränken wollten. Teilen Sie diese Auffassung?

Hübner: Ich bin ein großer Gegner davon. Ich bin ein großer Fürsprecher für das aktuelle Vergaberecht. Es gibt natürlich viele Dinge im Vergaberecht, über die diskutiert werden kann, weil sie nicht nachvollziehbar sind und die Vergabe erschweren. Aber das Vergaberecht an sich sichert den Wettbewerb in Deutschland. Und das zeichnet auch die Bauwirtschaft in Deutschland aus. Alle Maßnahmen und Projekte werden im Wettbewerb abgewickelt. Es wäre völlig kontraproduktiv, den Wettbewerb jetzt für eine längere Zeit einzuschränken und Direktvergaben und Vergaben außerhalb des Vergaberechts zuzulassen. Das wäre genauso schädlich wie Subventionen. Das mag alles für einen kurzen Moment richtig sein, aber mittel- und langfristig ist das kontraproduktiv.

B_I: Rechnen Sie lang- oder mittelfristig mit einer Corona-bedingten Erhöhung der Baupreise?

Hübner: Die Baubranche krankt schon seit langem daran, dass sie mit niedrigen Margen auskommen muss. Das kommt zwar in der Politik und der Öffentlichkeit nicht immer so an, aber man muss sich nur die Bilanzen von Bauunternehmen anschauen, dann weiß man, wo wir renditemäßig stehen. Das ist der Grund, warum in den vergangenen 15 Jahren viele der mittelständischen oder auch größeren Unternehmen in der Baubranche aufgeben mussten.

Wenn die Nachfrage groß ist, dann gehen automatisch auch die Preise nach oben. Die Kapazitäten werden kleiner, die Spielräume werden geringer, die Preise steigen. Und wenn die Nachfrage sinkt, wird der Wettbewerb größer und die Preise sinken.

Ich nenne das den subjektiven oder emotionalen Teil der Preisbildung in der Baubranche. Dann gibt es da natürlich noch den objektiven Teil und das ist die klassische Preissteigerung. Wir sind immer vom Ölpreis, vom Bitumenpreis oder vom Zement- und Stahlpreis abhängig. Und da zeigt die Tendenz immer noch nach oben. Wir können also heutige Preise nicht mit denen von vor zehn Jahren vergleichen. Die aktuelle Pandemie sorgt dafür, dass weniger ausgeschrieben wird, dass öffentlich weniger nachgefragt wird. Das wird dazu führen, dass die Preise aktuell stagnieren werden.

Die Bauindustrie erwartet für das Jahr 2020 ein leichtes reales Plus, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung ist optimistischer. | Grafik: Bauindutrie
Die Bauindustrie erwartet für das Jahr 2020 ein leichtes reales Plus, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung ist optimistischer. | Grafik: Bauindutrie

B_I: Seit einigen Jahren ist ein Hochlauf bei den Infrastruktur-Investitionen zu beobachten. Hat die deutsche Bauwirtschaft genügend Kapazitäten, um das zu bewältigen?

Hübner: Diese Diskussion ist in der Tat wieder aktuell, seit es diesen Investitionshochlauf gibt. Der Baubranche ging es zum Wechsel 2019/2020 gut. Das ist jetzt durch die Pandemie ins Wanken geraten. Wir müssen abwarten, wie es weitergeht.

Aber wir waren nie an der Kapazitätsgrenze. Da täuschen sich manche, gerade öffentliche Auftraggeber, weil plötzlich nur noch drei Mitbewerber in der Submission sind und nicht mehr 15. Das bedeutet jedoch noch lange nicht, dass wir keinen Wettbewerb mehr haben. Grundsätzlich haben wir immer noch ausreichend Kapazitäten. Wir haben eigentlich ein anderes Problem. Wir haben das Problem, dass Auftraggeber und Auftragnehmer viel zu wenig vernetzt sind. Es könnte vermieden werden, dass die Auftraggeber Dinge ausschreiben, die man mit ein wenig mehr Knowhow einfach sinnvoller hätte ausschreiben können. Dann käme es auch nicht zu manchen größeren Verzögerungen. Wenn wir große Aufträge haben, die statt zwei plötzlich vier Jahre dauern, beansprucht das unglaublich unsere Organisation und Kapazitäten. Manchmal stoßen wir auf eine Ausschreibung, die so gar nicht baubar ist, und dann muss alles umgeplant werden. Deshalb bestreite ich immer, dass wir unsere Kapazitäten bisher ausgeschöpft haben.

Ein zweiter Punkt kommt hinzu: Öffentliche Verwaltungen schreiben durch die Kameralistik in der Regel im Januar aus, und im März/April werden die Projekte vergeben. Das ist ein Vierteljahr verlorener Zeit. Wir haben durch den Klimawandel nicht mehr diese harten Winter, wir könnten auch in der Infrastruktur noch viel mehr abwickeln, wenn wir eine größere Durchgängigkeit hätten und eine durchgängige Auslastung.

B_I: Hilft dabei das Beschleunigungsgesetz?
Hübner: Wir haben mehrere Beschleunigungsgesetze, die gerade ein paar Dinge ins Lot bringen. Es hilft bereits erheblich, dass bei Einspruchsverfahren im Bereich des Umweltschutzes in den Planfeststellungen die erste Instanz schon die Oberverwaltungsgerichte sind und dementsprechend das Ganze auf eine Instanz verkürzt wird.

Dass wir mit der überbordenden Bürokratie nicht zufrieden sind, ist allgemein bekannt, da kämpfen wir an allen Fronten. Unser Anspruch ist ja auch, dass wir viel mehr miteinander ins Gespräch kommen, vor allem was die Sinnhaftigkeit von Planungen angeht. Dies wird von den Auftraggebern in der Regel mit dem Hinweis auf das Vergaberecht abgelehnt.

B_I Wir haben in der Coronakrise Fehlentwicklungen bei Werkverträgen erlebt. Wird das auch im Bau diskutiert?

Hübner: Das wird auch in der Bauindustrie diskutiert, und mit dem Arbeitsministerium. Aber die Bauindustrie ist nicht mit der Fleischindustrie vergleichbar. Wir als Arbeitgeberverband stehen schon immer für gute Arbeitsbedingungen und faire Bezahlungen in unseren Betrieben. Wir haben einen Mindestlohn, und zwar keinen gesetzlichen, sondern einen tariflichen Mindestlohn, den wir als Tarifpartner mit der IG BAU verhandeln. Dieser hat verpflichtenden Charakter und gilt für alle, auch für unsere Subunternehmer sowie für die Sub-Sub-Unternehmer. Gleiches gilt auch für die Arbeitszeitvorschriften, die ebenfalls für die Nachunternehmer gelten. Dass es immer mal schwarze Schafe gibt, ist leider so, aber das wird natürlich geahndet. Wir würden uns auch mehr Kontrolle wünschen. Als Vorstandsmitglied der Strabag AG sage ich, die Nachunternehmen, die wir beschäftigen, müssen nachweisen, dass sie den Mindestlohn- und die Arbeitszeitvorschriften einhalten.

Um es deutlich zu sagen: Werkverträge sind für uns unabdingbar. Wir können ohne solche Werkvertragsverhältnisse die Bauleistung in Deutschland nicht erbringen.

B_I Sprechen wir über die Digitalisierung. Noch vor kurzem konnte man den Eindruck gewinnen, dass das Thema BIM erst bei den wenigsten Bauunternehmen angekommen ist. Wird die aktuelle Pandemie das Thema Digitalisierung beschleunigen?

Hübner: Ja, absolut. Das gilt vor allem bei Videokonferenzen, die den Vorteil haben, Reisezeit einzusparen. Ob es beim Thema BIM einen Schub gibt, darauf antworte ich JEIN. Durch die Pandemie wird es einen kleinen Schub geben. Aber ich sehe das gar nicht so düster mit der Digitalisierung in der Bauwirtschaft. Ich glaube, dass da von vielen Seiten viel Druck gemacht wird, von Seiten der Politik, beispielsweise mit dem BIM-Stufenplan in der Infrastruktur. Notwendig wären auch Gespräche zwischen den Auftraggebern und den Auftragnehmern. Das ist leider eher noch die Ausnahme. Aber es gibt ja bereits viele Arbeitskreise, in denen wirklich konkret an digitalen Standards gearbeitet wird.

Das Problem ist, dass wir in den vergangenen Jahren BIM-Modelle von Planern bekamen, um sie weiterzubearbeiten, entweder für das Angebot oder die Ausführungsplanung. Diese Modelle mussten oft neu modelliert werden, weil der Datentransfer nicht funktionierte. Das ist unglaublich aufwändig. Es ist zwar faszinierend, wenn man solch einen digitalen Zwilling von einem Gebäude oder einem Infrastrukturprojekt sieht, aber um dahin zu kommen, müssen alle die gleiche Datenstruktur haben und am gleichen Datenmodell arbeiten. Der große Vorteil von BIM ist die Vermeidung von Planungsfehlern.

B_I: Demnächst beginnt der Wahlkampf für die nächste Bunderegierung. Welche Wünsche hätten Sie als Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie an die zukünftige Regierung?

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Hübner: Ich würde mir wünschen, dass Bauindustrie und Green Deal mehr thematisiert wird. Green Deal heißt ja nicht nur, in den Bahnbau zu investieren und in die Elektromobilität. Ich glaube, dass alle Verkehrsträger und alle Arten des Verkehrs eine Gleichberechtigung haben. Was ich mir vorstelle ist, dass wir zu objektiven Diskussionen kommen, wie wir unser Ziel, den Green Deal auch wirtschaftlich und vernünftig erreichen.

B_I: Vielen Dank, Herr Hübner, für das Gespräch. Das Interview führte Benno Stahn.


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