Wohnungsbau am Kipp-Punkt?

Die Entwicklung ist dramatisch: In den nächsten zwei Jahren wird mit bis zu 60 Prozent weniger Wohnungsbautätigkeit gerechnet. 43 Prozent der Wohnungsunternehmen planen für das Jahr 2023 überhaupt keinen Neubau. Beim Wohnungsbautag in Berlin rang das Verbändebündnis Wohnungsbau um mehr Finanzmittel für Investitionen.

Studie "So baut Deutschland": Wohnungsbau am Kipp-Punkt?
In den nächsten zwei Jahren wird mit bis zu 60 Prozent weniger Wohnungsbautätigkeit in Deutschland gerechnet. Hier ein Wohnungsbau-Projekt in Neuwied aus dem letzten Jahr. | Foto: Sven-Erik Tornow

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Vom Desaster beim Wohnungsbau und vom Zusammenbruch des Wohnungsbaus war die Rede beim Wohnungsbautag in Berlin. Gestiegene Zinsen und Baukosten, steigende Miet- und Kaufpreise und zunehmende Investitionskosten, um den Gebäudebestand klimaneutral auszubauen, ergeben eine brisante Gemengelage, die den Wohnungsneubau sowohl bei Einfamilienhäusern als auch im Mehrfamilienhausbau einbrechen lassen. Die beim Wohnungsbau-Tag vorgestellte Studie „Status und Prognose: „So baut Deutschland – So wohnt Deutschland“ der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Wohnen (ARGE e.V.) weist anhand deutlicher Zahlen die Notwendigkeit einer dringenden Wohnbauoffensive, insbesondere im sozialen Wohnungsbau, nach.

15 Milliarden Euro Subventionen pro Jahr gefordert

Nur mit zusätzlichen Mitteln könne es gelingen, 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr neu zu bauen, so eine der Forderungen des Verbändebündnisses Wohnungsbau. „Die Ampel muss Farbe bekennen. Sie muss entschlossen in den Wohnungsneubau investieren. Zum aktuellen Krisenmanagement dieser Regierung gehört, dass eine komplett neue Finanzierung von Wohnraum ganz oben auf der Liste stehen muss“, so das Verbändebündnis, das die ARGE-Untersuchung in Auftrag gegeben hat. „Ohne ein drastisches Aufstocken der staatlichen Förderung und ohne ein deutliches Abspecken bei staatlichen Auflagen und Vorschriften sei der Wohnungsneubau in Deutschland nicht mehr machbar“, lautet das ernüchternde Fazit des Verbändebündnisses. Der Aufbau eines Sondervermögens für Subventionsmittel in einer Höhe von ca. 15 Milliarden Euro pro Jahr sei die logische Konsequenz, um sozialen Wohnraum in ausreichendem Maß zu realisieren.

„Wenn sich normale Menschen Mieten in den Städten nicht mehr leisten können, dann gerät der Zusammenhalt, das heißt auch die Demokratie in Gefahr.“

- Hans-Jochen Vogel (1926-2020), Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau von 1972-1974

Wohnungsbau: Bund zahlt nur 5 Milliarden Euro jährlich

Auch Bauministerin Klara Geywitz musste eingestehen: „Die Investoren halten sich zurück, die Inflation steigt, Einkommen sinken.“ Gleichzeitig erinnerte sie daran, dass einem nochmaligen „Doppel-Wumms“ das Grundgesetz mit seiner Schuldenbremse einen Riegel vorschiebt. Damit sollte sie der Forderung nach einem weiteren Sondervermögen Wohnungsbau von 50 Milliarden eine Absage erteilen. Sie verwies jedoch darauf, dass das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG) eine Förderung für energiefreundlichen Neubau vorsehe. Außerdem sei eine Beschleunigung des Raumordnungsverfahrens auf den Weg gebracht. Sie soll die Planung beschleunigen. Die vom Verbändebündnis geforderte einheitliche Typengenehmigung für beispielsweise den Gebäudetyp E für alle Bundesländer soll geprüft werden. Das serielle und modulare Bauen solle, so die Ministerin, für kostengünstige Nachverdichtung genutzt und die Bauforschung intensiviert werden. Immerhin gebe es 14,5 Milliarden für den sozialen Wohnungsbau – gestreckt auf die nächsten drei Jahre. Zusätzlich gebe es aktuell für das Programm „Junges Wohnen“ zusätzlich 500 Millionen Euro. Zu wenig, sagen die Verbände und fordern 15 Milliarden Euro jährlich.

Wohnungsfertigstellungen in Deutschland von 1991 bis 2022 nach Gebäudetyp. | Foto: ARGE/Pestel Institut
Wohnungsfertigstellungen in Deutschland von 1991 bis 2022 nach Gebäudetyp. | Foto: ARGE/Pestel Institut

Bautätigkeit dem Wohnraum-Baubedarf anpassen

Dabei ist der Bedarf riesig, wie ARGE-Geschäftsführer Professor Dietmar Walberg mit einer Wohnungsbedarfsanalyse vorrechnete. Es gebe 700.000 zu wenig gebaute Wohnungen, und zwar bezahlbare Wohnungen. Zwischenzeitlich gäben drei Millionen Menschen in Deutschland über 40 Prozent ihres Einkommens für Miete und Wohnen aus. Statt der angestrebten 100.000 Sozialwohnungen seien lediglich 25.000 realisiert worden. Walberg mahnte, dass die Bautätigkeit nicht zurückgehen dürfe, weil die Gefahr, dass Personal im Baugewerbe abgebaut wird, sehr hoch sei und ein Personalabbau schneller gehe als Personalaufbau. Das Baugewerbe habe seit 2020 einen Personalzuwachs von 30 Prozent zu verzeichnen, inzwischen aber auch einen Auftragsrückgang von 16,5 Prozent. Nötig sei laut Walberg eine Absenkung der Standards wie das von der ARGE entwickelte Kieler Modell. Auch die Umnutzung von Gebäudebrachen oder aufgegebener Kirchen zu Wohnraum sei schon erfolgreiche Praxis.

Kommunale Auflagen treiben Baukosten und Mieten

Die Kostensteigerung durch kommunale Auflagen beziffert die Studie mit 170 bis 500 pro Quadratmeter. Inzwischen seien die Gestehungskosten auf 4.200 ohne Grundstückskosten, und auf 5.100 mit Grundstückskosten gestiegen. Dadurch seien die freien Mieten auf bis zu 17,50 Euro pro Quadratmeter angestiegen. Durch Subventionieren könne die Miete auf 12 Euro gesenkt werden. Inzwischen gäben über drei Millionen Menschen in Deutschland über 40 Prozent des Einkommens für Miete aus. Das sei entschieden zu viel, so Walberg. Weil auch zunehmend CO2-Einsparungsforderungen zu neuen Bestimmungen und damit auch höheren Kosten führen, forderte Walberg schließlich einen völlig neuen Ansatz bei der Nachweisführung zur CO2-Einsparung. Aufwand und Erfolg der CO2-Einsparung müssten abgewogen werden. Zu berücksichtigen seien auch die gut 80 Prozent der Eigentümer, die nicht, wie ein gewerbliches Wohnungsbauunternehmen, hochmoderne Technik für den Klimaschutz finanzieren könnten. Sinnvoll sei vielmehr eine kommunale Wärmeplanung und eine intelligente Wärmevernetzung in den Quartieren - und dann erst die Überlegung, was am einzelnen Gebäude zu geschehen habe.

Zudem kritisierte das Bündnis die Bindung der Wohnungsbauförderung an nochmals verschärfte Normen wie dem Energiehaus 40. „Warum kann nicht der Standard Energiehaus 55 zumindest für eine Zeitlang weiterbestehen?“, fragte Lukas Siebenkotten vom Deutschen Mieterbund und forderte eine einheitliche Typengenehmigung wie den Gebäudetyp E für alle Bundesländer – zumindest in diesem Punkt waren sich die Ministerin und das Bündnis einig. Eine Gebäudeüberoptimierung müsse verhindert werden.

Technische Anlagen als Baukostentreiber im Wohnungsbau

Nach wie vor sind es die Baustoffpreise, die die Baukosten treiben. Zwar haben sich die Beschaffungsprobleme beruhigt, die erhöhten Preise bestimmen den Markt aber immer noch. Aber auch gestiegene Qualitätsansprüche und ordnungsrechtliche Anforderungen, insbesondere in Bezug auf Energieeffizient, Barrierefreiheit, Brand- und Schallschutz, Kfz-Stellplatzbestimmungen und andere treiben die Preise nach oben. Auffällig ist dabei eine Veränderung der Verteilung der Baukosten: Inzwischen übersteigen die Ausbaukosten (55,5 Prozent) die Rohbaukosten. Ein beklagtes Phänomen ist ferner, dass technische Anlagen kurzlebiger werden und bei durchschnittlich unter 36 Jahren Nutzungsdauer angelangt sind. Die Autoren der Studie konstatieren eine teilweise kurze Nutzungsdauer bei technischen Anlagen und Komponenten eines Neubaus, was zu einem erhöhten Investitionsbedarf beim Gebäudeerhalt führe. Vom Bezugsjahr 2000 beziffern sich die gestiegenen Mehrkosten für technische Baubestimmungen, energetische Anforderungen und kommunale Auflagen auf 575 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche.

Wesentlicher Kostentreiber ist auch die Entwicklung der Grundstückskosten, die im Median in Ballungszentren in den letzten sechs Jahren bis zu 40 Prozent gestiegen sind und inzwischen mehr als 20 Prozent der Gestehungskosten eines Bauwerks ausmachen.

Kommunale Auflagen führen zu deutlich höheren Gestehungskosten. Eine Neubauwohnung in Wachstumsregionen bzw. Ballungsgebieten kann sich dadurch um etwa 12.600 Euro verteuern. | Foto: ARGE
Kommunale Auflagen führen zu deutlich höheren Gestehungskosten. Eine Neubauwohnung in Wachstumsregionen bzw. Ballungsgebieten kann sich dadurch um etwa 12.600 Euro verteuern. | Foto: ARGE

Höhere Effizienzstandards steigern die Baukosten

Laut Studie senkt die Wahl eines höheren Effizienzstandards zwar den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen, führt aber auch zu signifikant höheren Kosten. Insbesondere die in der Vergangenheit oft vernachlässigten höheren Kosten für Wartung, Instandhaltung und den Austausch von Bauteilen über den Betrachtungszeitraum von 50 Jahren beeinträchtigen die Wirtschaftlichkeit. Infolgedessen zeigen auch die Kosten der CO2- und Energieeinsparung bei höheren Effizienzstandards im Wohnungsneubau, dass sowohl individuell als auch volkswirtschaftlich der bisher erreichte Standard nach dem Gebäudeenergiegesetz bereits das individuelle und volkswirtschaftliche Optimum darstellt. Vor diesem Hintergrund sind weitere ordnungsrechtliche Verschärfungen für die Energieeffizienz von Wohnungsneubauten auch in Bezug auf den Nutzen für die Mieterinnen und Mieter mittelfristig nur dann sinnvoll, wenn sie fördertechnisch begleitet und ausgeglichen werden, so das Bündnis. Die Grenzkosten für höhere Neubauanforderungen steigen exponentiell. Der Grenznutzen, also der zusätzlich vermiedene CO2-Ausstoß, geht gegen null.

Wohnungsbau-Kollaps verhindern

Um den Zusammenbruch des Wohnungsbaus zu vermeiden, sollten nach Auffassung aller Verbändeakteure die Wohnungsbaupolitik so gestaltet werden, dass weiterhin in den Wohnungsbau investiert wird. Das schaffe und sichere nicht nur Arbeitsplätze, sondern trage zur Verbesserung der Lebensqualität und des sozialen Zusammenhalts der Gesellschaft bei. Dazu sollten der bürokratische Abbau von Hindernissen gehören, vor allem aber die Bereitstellung von ausreichenden Fördermitteln. Auch die Ausweisung ausreichenden Baulands sollten dazugehören. Statt weiterer Auflagen sollten Mindeststandards definiert werden. Damit könne den derzeitigen Herausforderungen wie steigende Zinsen bei steigendem Wohnungsbedarf und stetig wachsenden Bau- und Investitionskosten entgegengewirkt werden.

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