Kabelverlegung im Kanal: Neuer Schwung in Sicht?
„Bagger und aufgerissene Gräben mag ich mir in dieser Lage überhaupt nicht vorstellen.“ Das Mannesmannufer mit der Rheinuferpromenade in Düsseldorf.
aus der B_I umweltbau, Ausgabe 3/2005
Als Ende der 90iger Jahre die Techniken zur Verlegung von Kabeln in nicht begehbaren Abwasserkanälen
das Versuchsund Prototypstadium verlassen hatten, breitete sich in den kaufmännischen Abteilungen mancher Kanalnetzbetreiber Euphorie aus. Die sprudelnden Einnahmen aus der Vermietung der Kanäle an die boomende Telekommunikationsindustrie schien völlig neue Perspektiven zu eröffnen und die Abwasserleitungen in Goldadern zu verwandeln. Daraus wurde bekanntermaßen nichts. Börsencrash am „Neuen Markt“ und UMTSLizenzen-Wahnsinn verursachten einen wirtschaftlichen Absturz der IT-Branche und eine Vollbremsung bei den Investitionen in den Ausbau der Kabelnetze. Außerdem konnten vielerorts die Bedenken seitens des Kanalbetriebes nicht ausgeräumt werden. Ergebnis: Es wurde still um das Kabel im Kanal.

Nach einer Konsolidierungsphase der Telekommunikationsindustrie und mit dem sich nun am konkreten Bedarf orientierenden Ausbau der Kabelnetze in den Städten scheint langsam das Interesse an Technik und Verfahren wieder zuzunehmen. In Düsseldorf zum Beispiel wurden jetzt in dem vierten Projekt dieser Art etwa 1,3 Kilometer Kabel vom Düsseldorfer Stadttor entlang des Mannesmannufers in Abwasserkanälen installiert.

Fertig installierte Kabelschutzröhrchen im Kanal.
Fertig installierte Kabelschutzröhrchen im Kanal.

Am Anfang war Skepsis

Der Stadtentwässerungsbetrieb der Landeshauptstadt Düsseldorf verfolgte Ende der 90iger Jahre die Diskussion über das Thema Kabel im Kanal mit großer Skepsis. Im Jahr 2001 wurde erstmals konkret das Anliegen vorgetragen, die Düsseldorfer Kanäle als Kabeltrassen zu nutzen. Darauf hin entschied der Abwasserbetrieb, sich konstruktiv mit dem Problem auseinander zu setzen. „Die Stammtischdiskussionen halfen uns in dieser Situation nicht weiter, wir brauchten handfeste Erfahrungen,“ erinnert sich Lutz Barenthien, Abteilungsleiter Kanalbetrieb und damals erklärter Gegner dieser Technik. Diese Erfahrungen sollten im Rahmen eines Pilotprojektes gewonnen werden. Dabei waren die folgenden Rahmenbedingungen für ein intaktes Kanalnetz unbedingt einzuhalten:
  • Die Funktion der Kanäle muss jederzeit gewährleistet sein
  • Beschädigungen durch Einbauten sind auszuschließen
  • die Wartung und Reinigung muss ohne Mehraufwand durchführbar bleiben
  • nachträgliche Anschlüsse müssen problemlos hergestellt werden können
  • Sanierung oder Neubaumaßnahmen müssen gewährleistet und unproblematisch durchführbar sein.

Auf die Erfüllung dieser Kriterien hin wurden nach intensiven Diskussionen fiel die Entscheidung zugunsten des FAST-Systems.

Bei der FAST (Fiber Access by Sewer Tubes) Technologie wird eine Leerrohranlage bestehend aus bis zu 9 Edelstahlleerröhrchen erstellt, die jeweils ein Kabel mit bis zu 216 Fasern aufnehmen können. In nicht begehbaren Kanälen mit Rohrdurchmessern von DN 200 bis DN 700 wird ein Spezialroboter eingesetzt; im begehbaren Bereich führen geschulte Monteure die Arbeiten aus.

Als Befestigungselemente für die Anlage werden Spannringe (sog. Briden) eingesetzt, die eine mechanische Beanspruchung der Kanalrohrwandungen, wie sie beim Einsatz von Bohroder Dübelverfahren auftreten, ausschließen. Damit auch in den Kanalschächten eine sichere Führung der LWL-Kabel gewährleistet ist, kommen dort flexible Blechkanäle zum Einbau. Die Blechkanäle sowie die gesamte Leerrohranlage bestehen aus V4A-Edelstahl und schützen die LWL-Kabel dauerhaft vor Beschädigung.

Einbau-Equipment für das FAST-System.
Einbau-Equipment für das FAST-System.

Intensive Testphase

Ende 2001 ließ der Stadtentwässerungsbetrieb in einem vom Kanalbetrieb ausgewählten Mischwasserkanal DN 300 aus Steinzeug das System auf einer Länge von 250 Metern zu Testzwecken installieren. Anschließend wurde das eingebaute FAST-System mit verschiedenen Reinigungsgeräten und -verfahren extremen Dauerbelastungen ausgesetzt. Die Haltungen wurden mit Kanalreinigungsbomben und -schuhen insgesamt etwa 25 mal gereinigt, weiterhin wurde in einigen Bereichen eine Reinigungsstahlbürste mehrfach durchgezogen. Die Haltungen wurden durch Setzen einer Absperrscheibe unter Rückstau über den Hochpunkt entwässert, um eine extreme Entwässerungssituation zu simulieren.

Das FAST-System absolvierte die Tests mit überzeugenden Ergebnissen. Weder bildeten sich an den Briden vermehrte Anlagerungen von Spinnund Schwebstoffen, noch stellten die Briden und Leerrohre ein Hindernis für Inspektion und Reinigung dar. Der Abschlussbericht des Pilotprojektes kommt zu der eindeutigen Aussage: „Aus technischer und betrieblicher Sicht spricht nichts gegen den Einbau des getesteten FAST-Systems, sofern mögliche Konfliktpotenziale vertraglich abgesichert werden.“

Saubere Kabelführung in einem Schacht.
Saubere Kabelführung in einem Schacht.

Ein entscheidender Punkt: Vertragsgestaltung Was diese vertragliche Absicherung angeht, wurde in Düsseldorf Pionierarbeit geleistet. Zum Verständnis: An einer Baustelle zur Kabelverlegung in den Kanal sind in Düsseldorf die folgenden Akteure beteiligt:

  • Ein Telekommunikationsunternehmen als Auftraggeber hält sich meist im Hintergrund und will nicht öffentlich in Erscheinung treten.
  • Die Firma AEONIS als Auftragnehmer und Vertragspartner des Stadtentwässerungsbetriebes. AEONIS hat die grundsätzliche Genehmigung, das Düsseldorfer Kanalnetz für die Kabelverlegung mittels der FAST-Technologie zu nutzen.
  • Die Firma FAST Opticom als Kabelverlegeunternehmen. FAST Opticom installiert als Dienstleister mit entsprechend ausgebildetem Personal die Kabel in den Kanälen.
  • Die Firma KATE als Hersteller der Robotertechnik und Mitentwickler der FAST Technologie.
  • Der Stadtentwässerungsbetrieb Düsseldorf als Kanalnetzbetreiber, der AEONIS die entsprechenden Kanaltrassen für die Verlegung zur Verfügung stellt.

Diese Konstellation hat für den Kanalnetzbetreiber einen großen Vorteil: Er hat es nur mit einem Vertragspartner der Firma AEONIS zu tun und muss nicht mit jedem Telekommunikationsunternehmen einzeln verhandeln. Basis dieser Partnerschaft ist ein Rahmenvertrag, der zwischen AEONIS und dem Stadtentwässerungsbetrieb ausgehandelt wurde, und der dann projektbezogen durch Einzelverträge ergänzt wird.

„Für die Gestaltung dieses Vertragswerkes dem ersten seiner Art haben wir uns viel Zeit genommen, weil wir alle denkbaren Eventualitäten berücksichtigen und eindeutig regeln wollten,“ sagt Dr. Claus Henning Rolfs, Technischer Betriebsleiter des Stadtentwässerungsbetriebes. Die Verteilung der Risiken, was passiert im Falle von Kabelschäden oder die Sicherheitsbedingungen bei Reparaturarbeiten sind beispielsweise Aspekte, die in dem Vertrag festgelegt sind. „Ein ganz wichtiger Aspekt war die Dokumentation des Einbaus, um risikolos nachträgliche Anschlüsse an die betroffenen Kanäle herstellen zu können,“ betont Lutz Barenthien. „Anderthalb Jahre wurde über diesen Rahmenvertrag verhandelt, aber ich glaube, die Mühe hat sich gelohnt, denn es ist für alle Beteiligten ein gutes Ergebnis dabei herausgekommen.“ Und Karl Manstorfer von AEONIS ergänzt: „Dieses Vertragswerk ist für uns die Grundlage für die Verträge, die wir mit anderen Kanalnetzbetreibern abschließen.“ Denn auch für AEONIS und die Telekommunikationsunternehmen hat diese Konstruktion große Vorteile. Dazu gehört nicht zuletzt, dass sich die Projekte auf der Basis des Rahmenvertrages im Bedarfsfall ohne langwierige Verhandlungen sehr schnell realisieren lassen.

Mehrere Delegationen von Kabel- und Kanalnetzbetreibern nutzten die Gelegenheit, sich auf der Düsseldorfer Baustelle zu informieren.
Mehrere Delegationen von Kabel- und Kanalnetzbetreibern nutzten die Gelegenheit, sich auf der Düsseldorfer Baustelle zu informieren.

Wo ist der Nutzen für den Kanalnetzbetreiber?

Doch was hat der Kanalnetzbetreiber konkret für Vorteile, wenn er seine Kanäle für den Einbau von Kabeln frei gibt? „Der finanzielle Aspekt hat bei unseren Überlegungen keine große Rolle gespielt,“ sagt Dr. Rolfs. Über das Nutzungsentgelt habe man Stillschweigen vereinbart. Das Geld sei zwar willkommen, aber man müsse schon sehr langfristig denken, um einen wirklich nennenswerten monetären Vorteil zu erkennen. Viel wichtiger sei, dass es diese Technologie erlaube, sämtliche Vorteile der grabenlosen Technologien zu nutzen. Keine aufgerissenen Straßen, keine Verkehrsbehinderungen, keine Beeinträchtigungen des Geschäftslebens. „Wir denken nicht nur als Stadtentwässerung, wir denken als Stadt Düsseldorf,“ betont Dr. Rolfs und verweist exemplarisch auf die aktuelle Maßnahme. Mitten im Herzen Düsseldorfs, direkt vor dem Landtag gelegen, entlang der Rheinuferpromenade hat dieses Projekt Bilderbuchcharakter. Hier werden vom Düsseldorfer Stadttor entlang des Mannesmannufers rund 1,3 Kilometer Kabel in Kanäle eingebaut, davon rund 600 Meter mit Roboter in Leitungen DN 300. „Bagger und aufgerissene Gräben mag ich mir in dieser Lage überhaupt nicht vorstellen,“ so Dr. Rolfs.

Belebung der Nachfrage spürbar

Seit dem Jahr 2003 sind in Düsseldorf inzwischen 3,3 Kilometer Kabel in Kanälen verlegt worden. Das ist weit weniger, als ursprünglich angenommen und prognostiziert worden war. Inzwischen scheint sich das Interesse sowohl bei den Telekommunikationsunternehmen und in der Folge auch bei den Kanalnetzbetreibern langsam neu zu beleben. „Wir spüren von beiden Seiten eine Belebung der Nachfrage und befinden uns zur Zeit in konkreten Vertragsverhandlungen mit fünf Kommunen,“ sagt Karl Manstorfer. Dieses Interesse spiegelte sich auch auf der Baustelle in Düsseldorf wieder. Delegationen der Telekom und verschiedener Kommunen nutzten die Gelegenheit, um sich über die Technik und die Düsseldorfer Erfahrungen zu informieren.

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Natürlich hat das nichts mehr mit der eingangs beschriebenen Goldgräberstimmung zu tun. Aber mit einer Entwicklung, die sich am tatsächlich vorhandenen Bedarf orientiert, die die Interessen des Kanalbetriebes berücksichtigt und bei der nicht kurzfristiges kommerzielles Interesse sondern der langfristige Nutzen der Beteiligten im Mittelpunkt steht, ist der Technologie der Kabelverlegung im Kanal auf Dauer vermutlich mehr gedient.


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