Gut zu wissen: eVergabe bei EU-weiten Vergabeverfahren

Die Zeit läuft. Ab 18. April 2016 wird für EU-weite Vergaben das neue Vergaberecht gelten. Dann wird die elektronische Kommunikation im Vergabeverfahren zur Pflicht. Was man darüber wissen sollte, haben wir für unsere Leser zusammengestellt.

Gut zu wissen: eVergabe bei EU-weiten Vergabeverfahren
Gut zu wissen: eVergabe bei EU-weiten Vergabeverfahren

Ab 18. April 2016 wird für Vergaben im Oberschwellenbereich (EU-Ausschreibungen) in Deutschland ein neues Vergaberecht gelten.

Die Vergaberechtsreform liegt im Zeitplan. Das „Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts (Vergaberechtsmodernisierungsgesetz VergRModG)“ wurde am 23. Februar 2016 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Es setzt die EU-Vergaberichtlinien auf Gesetzesebene um. Im Kern enthält es den überarbeiteten Teil 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), das neben Regelungen zum Anwendungsbereich und dem Rechtschutz auch die wesentlichen Vorgaben zur elektronischen Vergabe umfasst und den Ablauf eines Vergabeverfahrens vorzeichnet.

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Am 25. Februar 2016 hat der Bundestag der "Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts (VergRModVO)" zugestimmt. Als Mantelverordnung enthält sie neben der Sektorenverordnung (SektVO), der Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV), der Vergabestatistikverordnung (VergStatVO) besonders auch die „Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung – VgV)“.

Wenn die Verordnung wie geplant am 18.3.2016 auch noch den Bundesrat passiert hat, können die neuen Vergaberegelungen im EU-Bereich am 18.04.2016 in Kraft treten.

Für die Vergabe von Bauleistungen im Oberschwellenbereich ist der 2. Abschnitt der neuen „Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Ausgabe 2016 - Teil A (VOB/A)“ maßgeblich. Sie wurde am 19.01.2016 im Bundesanzeiger veröffentlicht und soll zusammen mit der VgV ab 18. April 2016 gelten.

Eine wichtige Neuerung für die Vergabepraxis ist, dass alle Vergabeverfahren in Zukunft grundsätzlich elektronisch abgewickelt werden sollen. Die Einführung soll in mehreren Schritten erfolgen: Bereits ab dem 18. April 2016 müssen Bekanntmachungen und Vergabeunterlagen elektronisch veröffentlicht werden. Spätestens ab 18. Oktober 2018 wird dann auch der elektronische Datenaustausch zwischen Vergabestelle und Bewerber bzw. Bieter bis zur elektronischen Angebotsabgabe zur Pflicht.

Konnte die Vergabestelle bisher entscheiden, ob und inwieweit sie die elektronische Kommunikation in ihren Vergabeverfahren zulassen will, wird die E-Vergabe über den § 97 Abs. 5 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung verpflichtend eingeführt: „Für das Senden, Empfangen und Weiterleiten von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.“ Die genauen Rahmenbedingungen für die Kommunikation werden im Unterabschnitt 2 der neuen Vergabeverordnung (VgV) festgelegt. Diese Kommunikationsgrundsätze gelten nach § 2 VgV auch bei der Vergabe von Bauleistungen nach VOB/A – 2. Abschnitt.

Gemäß § 40 Abs. 1 sind EU-Bekanntmachungen elektronisch an das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union zu übermitteln. Für die elektronische Übermittlung gibt es 2 Möglichkeiten:

  • Verwendung von Online-Formularen über die eNotices-Anwendung
  • Übermittlung der EU-Bekanntmachung über eine als TED-eSender zertifizierte Vergabeplattform in Form von standardisierten XML-Dateien

Bisher konnten die EU-Bekanntmachungen unmittelbar nach Absendung an das Amtsblatt der EU in nationalen Medien veröffentlicht werden. Gemäß § 40 Abs. 3 VgV wird das jetzt anders: EU-Bekanntmachungen auf nationaler Ebene dürfen erst nach der Veröffentlichung durch das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union oder 48 Stunden nach der Bestätigung über den Eingang der Bekanntmachung durch das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union veröffentlicht werden.

Bekanntmachungen in strukturiertem elektronischem Format werden innerhalb von fünf Tagen nach Eingang beim Amt für Veröffentlichungen über die TED-Website EU-weit bekanntgemacht.

Der Zugang zu den Bekanntmachungen auf TED ist gebührenfrei.

Die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung strukturierter Daten zur Veröffentlichung gilt ab 18. April 2016.

Gemäß § 38 Abs. 4 und 5 kann der Auftraggeber im nicht offenen Verfahren oder im Verhandlungsverfahren unter bestimmten Bedingungen auf eine Auftragsbekanntmachung verzichten, wenn er interessierte Unternehmen schon in der Vorinformation dazu auffordert, ihr Interesse an einer Ausschreibungsteilnahme zu bekunden (Aufforderung zur Interessensbestätigung).

Mit der Aufforderung zur Interessensbestätigung wird der Teilnahmewettbewerb eingeleitet. Die Frist für den Eingang der Interessensbestätigung beträgt 30 Tage. Mit ihrer Interessensbestätigung übermitteln die Unternehmen auch die geforderten Informationen für die Prüfung ihrer Eignung. Die Vorinformation kann nur dann eine spätere Auftragsbekanntmachung ersetzen, wenn sie mindestens 35 Tage vor und maximal 12 Monate vor der Aufforderung zur Interessensbestätigung veröffentlicht wird.

Nach § 41 Abs. 1 VgV gilt ab 18. April 2016: Der Auftraggeber gibt in der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung eine elektronische Adresse an, unter der die Vergabeunterlagen unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt abgerufen werden können.

Bei nicht offenen Verfahren, Verhandlungsverfahren, wettbewerblichen Dialogen und Innovationspartnerschaften werden alle ausgewählten Bewerber gleichzeitig in Textform aufgefordert, am Wettbewerb teilzunehmen oder wenn eine Vorinformation als Aufruf zum Wettbewerb genutzt wurde, zu einer Interessensbestätigung aufgefordert. Die Aufforderungen enthalten einen Verweis auf die elektronische Adresse, über die die Vergabeunterlagen direkt elektronisch zur Verfügung gestellt werden.

Der Auftraggeber muss in der Auftragsbekanntmachung weiterhin angeben, wie auf die Vergabeunterlagen zugegriffen werden kann und welche Maßnahmen er zum Schutz der Vertraulichkeit von Informationen anwendet.

Nach § 9 Abs. 3 VgV müssen Vorinformation, Auftragsbekanntmachung und Vergabeunterlagen jedem Interessierten ohne Registrierung zugänglich sein.

Eine freiwillige Registrierung ist jedoch zulässig. Sie bietet Unternehmen den Vorteil, dass sie automatisch über Änderungen an den Vergabeunterlagen oder über Antworten auf Fragen zum Vergabeverfahren informiert werden.

Unternehmen ohne Registrierung müssen sich selbstständig informieren, ob Vergabeunterlagen zwischenzeitlich geändert wurden oder ob die öffentlichen Auftraggeber Fragen zum Vergabeverfahren beantwortet haben (Holschuld). Sie tragen das Risiko, einen Teilnahmeantrag, eine Interessensbestätigung oder ein Angebot auf der Grundlage veralteter Vergabeunterlagen erstellt zu haben und daher im weiteren Verlauf vom Verfahren ausgeschlossen zu werden.

Für sämtliche sonstigen Aktivitäten im Rahmen eines Vergabeverfahrens, wie zum Beispiel für das Stellen einer Frage zum Verfahren, für das Einreichen eines Teilnahmeantrages oder für das Abgeben einer Interessensbestätigung oder eines Angebotes, dürfen die Auftraggeber von den Unternehmen eine Registrierung, d.h. die Angabe einer E-Mail-Adresse - von Unternehmen mit Sitz in Deutschland auch eine DE-Mail-Adresse - sowie die Angabe einer eindeutigen Unternehmensbezeichnung, verlangen.

Gemäß § 41 Abs.2 VgV besteht für den Auftraggeber keine Pflicht, die Vergabeunterlagen mit Hilfe elektronischer Mittel zum Abruf bereitzustellen, wenn

  • der Auftraggeber spezielle elektronische Mittel verwendet, die nicht allgemein verfügbar sind
  • der Auftraggeber spezielle Dateiformate vorgibt, die entweder nicht allgemein verfügbar sind oder lizenzrechtlich geschützt sind
  • die Verwendung von Bürogeräten vorausgesetzt wird, die dem öffentlichen Auftraggeber nicht allgemein zur Verfügung stehen
  • Nach § 41 Abs. 3 VgV ist die Verwendung anderer als elektronischer Mittel ist Auftraggebern nur hinsichtlich des Schutzes besonders sensibler Daten gestattet.

Nach § 48 VgV hat der Auftraggeber in der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung anzugeben, mit welchen Unterlagen (Eigenerklärungen, Angaben, Bescheinigungen und sonstige Nachweise) Bewerber oder Bieter ihre Eignung und das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen belegen müssen.

In der Regel sollen Nachweise gefordert werden, die vom Online-Dokumentenarchiv e-Certis abgedeckt sind. eCertis will es Auftraggebern und Bietern erleichtern, die zum Eignungsnachweis erforderlichen Unterlagen zusammenzustellen. Über eine Suchmaske könnte zum Beispiel für eine in Frankreich ausgestellte Eignungs-Bescheinigung das entsprechende in Deutschland verwendete Dokument ermittelt werden.

Form und Inhalt der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung sind der Durchführungsverordnung der Kommission (EU) Nr. 7/2016 vom 5. Januar 2016 zur Einführung des Standardformulars für die Einheitliche Europäische Eigenerklärung festgelegt.

Die EEE kann von den Vergabestellen bei EU-Vergaben ab 18. April 2016 verwendet werden. Für Bewerber/Bieter ist der Einsatz der EEE freiwillig. Auftraggeber müssen die EEE akzeptieren, wenn sie vom Unternehmen vorgelegt wird. (siehe § 48 VgV / § 6b VOB/A – EU). Von dem Unternehmen, das den Zuschlag erhalten soll, muss der Auftraggeber in diesem Fall die offiziellen Unterlagen nachfordern.

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Zu den konkreten Eignungskriterien (Teil IV des EEE-Standardformulars) müssen die Unternehmen nur dann Eintragungen vornehmen (z.B. zum Jahresumsatz oder der Höhe der Berufshaftpflichtversicherung), wenn dies in der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung durch den öffentlichen Auftraggeber unmittelbar gefordert wurde (1. Alternative). Der öffentliche Auftraggeber kann auch vorsehen, dass eine bloße Bestätigung durch das Unternehmen ausreicht, dass die Eignungskriterien erfüllt werden (2. Alternative).

Gemäß Artikel 59 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24/EU wird die EEE ausschließlich in elektronischer Form ausgestellt. Bei Verwendung in Vergabeverfahren, für die die Nutzung der elektronischer Kommunikation bis spätestens 18. April 2018 aufgeschoben wird, kann die EEE bis dahin entweder in elektronischer Form oder als Papierversion eingereicht werden.

Die EEE kann über einen elektronischen Online-Dienst der EU-Kommission ausgefüllt werden. Dieser Online-Dienst führt die Nutzer Schritt für Schritt durch die Erstellung einer EEE; sie kann nach Abschluss als PDF-Datei und in weiteren elektronischen Formaten abgerufen, abgespeichert oder ausgedruckt werden. Der Online-Dienst ist derzeit nur auf Englisch verfügbar.

Eine Verpflichtung zur vollständigen elektronischen Abwicklung des Vergabeverfahrens einschließlich Abgabe des Angebots besteht erst ab Oktober 2018. Bis zu diesem Stichtag kann der Auftraggeber wählen, inwieweit er die Abgabe von Angeboten und Teilnahmeanträgen in elektronischer Form zulässt oder die Abwicklung in schriftlicher Form durchführt.

Nach bisherigem Vergaberecht waren alle E-Angebote elektronisch zu signieren. Bei Unterschwellenvergaben im VOL/A-Bereich (VOL/A 2009, 1. Abschnitt) bleibt es bis auf Weiteres noch bei diesem Signaturerfordernis. Dagegen erlaubt die VOB/A 2016 (§ 13 Abs. 1 Nr. 1) auch für nationale Vergaben bereits ab 18.04.2016 auch Angebote ohne elektronische Signatur.

Für Vergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte hat der Gesetzgeber die signaturlose elektronische Kommunikation als Standardfall gewählt: So heißt es in § 53 Abs. 1 VgV: „Die Unternehmen übermitteln ihre Interessensbekundungen, Interessensbestätigungen, Teilnahmeanträge und Angebote in Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs mithilfe elektronischer Mittel gemäß § 10.“

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Nach § 10 VgV legen die öffentlichen Auftraggeber das erforderliche Sicherheitsniveau für die elektronischen Mittel, die in den verschiedenen Phasen des Vergabeverfahrens genutzt werden sollen, fest.

Nur wenn der Auftraggeber feststellt, dass zu übermittelnde Daten erhöhte Anforderungen an die Sicherheit stellen, kann er verlangen, dass Interessensbekundungen, Interessensbestätigungen, Teilnahmeanträge und Angebote mit einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur oder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen sind.

Bisher sind Unternehmen gezwungen, für jede von öffentlichen Auftraggebern verwendete E-Vergabelösung/-plattform eine separate Bieteranwendung zu nutzen. § 10 Abs. 2 VgV schreibt vor, dass E-Vergabe-Systeme und Bieteranwendungen über eine einheitliche Datenaustauschschnittstelle verfügen müssen. Damit soll es möglich werden, dass Unternehmen nur eine einzige elektronische Anwendung brauchen, um mit allen von öffentlichen Auftraggebern für die Durchführung von Vergabeverfahren genutzten E-Vergabelösungen erfolgreich zu kommunizieren.

Eine solche einheitliche Datenaustauschschnittstelle beschreibt beispielsweise der Standard XVergabe. Der IT-Planungsrat hat am 17. Juni 2015 die verbindliche Anwendung des IT-Interoperabilitätsstandards XVergabe beschlossen.

Derzeit wird an einer Prüfinstanz gearbeitet, mit der die XVergabe-Konformität von Vergabelösungen nachgewiesen werden kann. Nach Aussage der Leiterin des Beschaffungsamtes, Birgit Settekorn, soll plangemäß im Juni 2016 die XVergabe als Kommunikationsschnittstelle etabliert sein.

In den Erläuterungen zu § 9 VgV wird klargestellt, dass die Pflicht zur elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren ausschließlich den Datenaustausch zwischen den Auftraggebern und den Unternehmen betrifft. Das neue Vergaberecht regelt nicht, wie die an der Vergabe Beteiligten ihre internen Arbeitsabläufe gestalten.

Mit der Vorgabe, Bekanntmachungen und Vergabeunterlagen elektronisch bereitzustellen, Teilnahmeanträge und Angebote elektronisch einzureichen und den Zuschlag elektronisch vorzubereiten, stellt das Vergaberecht Mindestforderungen zur elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren auf.

Im Erwägungsgrund 52 der Richtlinie 2014/24/EU werden die Auftraggeber ausdrücklich dazu ermuntert, „auf Wunsch hierüber hinauszugehen…“ Das ist sinnvoll. Ein rollenbasierter Vergabeworkflow, elektronische Formulare, Eingabeassistenten, Tools für Terminplanung und Fristenkontrolle, die automatische Dokumentation des Vergabeverfahrens und weitere Funktionen zum Vergabemanagment, wie sie zum Beispiel das bi eVergabe-System anbietet, können dazu beitragen, die Vergabe zeit- und kostengünstiger, einfacher und sicherer zu machen.

Quellen: Informationen des BMWi zur Reform des Vergaberechts Informationen der Auftragszentrale Bayern zur Einführung der eVergabe

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