„Wir bauen uns langsam zu Tode“

Zu aufwändig, zu klimaschädlich, zu wenig innovativ: Roland Kühnel, Geschäftsführer des Holzmodulbau-Anbieters Timpla, nennt die Probleme der Baubranche beim Namen. Er sagt: Die Bauindustrie muss einen Paradigmenwechsel in der Baukultur und bei den verwendeten Technologien vollziehen – und die sogenannten „sieben Todsünden des Bauens" überwinden.

Timpla-Geschäftsführer Roland Kühnel nennt im Interview Vorteile des seriellen Holzbaus
Roland Kühnel, Geschäftsführer der Timpla GmbH, spricht sich für mehr seriellen Holzmodulbau aus: „Rein mineralisch gebaute Häuser als nachhaltig zu zertifizieren, ist Greenwashing und ignoriert den Stand der Wissenschaft.“ | Foto: Timpla

Herr Kühnel, wie steht es um die Baubranche?


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Roland Kühnel: Nicht gut. Und zwar in vielen Belangen, nicht nur wirtschaftlich. Die Baubranche steht vor der wahrscheinlich größten Herausforderung ihrer Geschichte. Fest steht, so bauen wir uns buchstäblich langsam zu Tode.

Wie meinen Sie das?

Roland Kühnel: Fangen wir bei den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen an: Die Immobilienbranche hat in den letzten Jahren von den sehr niedrigen Zinsen profitiert. Das wirkte wie Doping für den Bausektor. Höhere Zinsen fallen nun zusammen mit höheren Bau- und Kaufnebenkosten. Das alles wirkt, um im Bild zu bleiben, wie ein kalter Entzug für die Branche. Doch das sind nur die wirtschaftlichen und kurzfristigen Faktoren. Die haben bei einigen Unternehmen recht schnell zu Krisen und Insolvenzen geführt. Meine Aussage zielt eher auf die zusätzlichen langfristigen Faktoren, die ich immer einbeziehe. Ich fasse das gerne plakativ als die sieben Todsünden des Bauens zusammen.

Welche sieben Todsünden meinen Sie genau, Herr Kühnel?

Roland Kühnel: Die Herausforderungen, mit denen die Baubranche konfrontiert ist, lassen sich in sieben kritische Bereiche gliedern, die ich als die 'sieben Todsünden des Bauens' bezeichne:

  1. Wir bauen zu klimaschädlich. Das liegt vor allem an den mineralischen Baustoffen; dennoch ist es möglich, selbst mit rein mineralischer Bauweise in Deutschland höchste Nachhaltigkeitssiegel zu erhalten und taxonomie-konform zu bauen.
  2. Wir verschwenden wertvolle Ressourcen. Auch hier wieder beispielgebend die Zement- und Betonindustrie: Sie benötigt große Mengen Wasser, Kies und Energie für die Erzeugung ihrer Produkte. Kies, Sand und Wasser sind jedoch nicht grenzenlos verfügbar, werden teils schon als kritische Ressourcen eingestuft.
  3. Wir erzeugen zu viel Müll. Die Bauindustrie ist einer der größten Müllproduzenten. Bauschutt wird so gut wie nicht recycelt und wenn ja, allenfalls für niedere Verwendungszwecke genutzt wie im Straßenbau.
  4. Wir bauen zu aufwändig. Wer aus dem Maschinenbau oder der Softwarebranche kommt, erlebt im Bau einen Kulturschock und wähnt sich in die Vergangenheit versetzt. Für manches ist die Baubranche selbst verantwortlich, wie ineffiziente Prozesse oder mangelnde Digitalisierung. Anderes haben Staat und Länder zu verantworten – Stichwort Bürokratie und Regulierung. Nirgends sonst hat sich die Produktivität so schlecht entwickelt wie im Bau. Dies führt dazu, dass Bauprojekte oft zu teuer, zu langwierig und von schlechter Qualität sind.
  5. Wir haben zu wenig Fachkräfte. Rund 300.000 Fachkräfte fehlen laut IG Bau. Zudem ist ein Drittel der Beschäftigten im Bau 55 und älter. Demografischer Wandel lässt grüßen. Das macht die Transformation des Bauens nicht einfacher.
  6. Wir bauen zu gefährlich. 100.000 Bauarbeiter wurden im Jahr 2022 verletzt, 74 starben sogar.
  7. Mangel an Innovation und Verantwortung. Viele in der Baubranche folgen veralteten Methoden, gestützt durch bestehende Regulierungen. Der Fokus auf Produktqualität und Kundenerfahrung fehlt weitgehend; es herrscht oft eine Mentalität des Bauens nach Vorschrift.

Für welche der sieben Punkte bieten Sie bei Timpla Lösungen an?

Roland Kühnel: Es wird Sie wenig überraschen: Holzhäuser speichern Kohlenstoff, und Holz wächst nach, Beton ist für massive Emissionen verantwortlich. Heutzutage mit dem aktuellen Wissen rein mineralisch gebaute Häuser als nachhaltig zu zertifizieren, ist Greenwashing und ignoriert den Stand der Wissenschaft. Zudem ist Holzbau sehr gut für die Wiederverwendung geeignet. Serieller Holzbau ist digital getrieben. Die Lean-Methode sorgt für Effizienz und stetige Optimierung. Das Ergebnis sind geringe Bauzeiten, Kostentreue und eine hohe Qualität.

„Mit dem aktuellen Wissen rein mineralisch gebaute Häuser als nachhaltig zu zertifizieren, ist Greenwashing und ignoriert den Stand der Wissenschaft.“

Aber ist serielles Bauen nicht ein Rückschritt in der Baukultur?

Roland Kühnel: Weil Sie glauben, wir bringen die Platte 2.0? Das ist ebenso ein Vorurteil wie die Argumente gegen Holz. Das serielle Bauen hat sich weiterentwickelt. Von der Platte der 70er sind wir weit entfernt. Diese Diskussion tut so, als würden für einen Großteil der Wohnungs- und Bürobauten sehr aufwendige, individuelle architektonische Konzepte umgesetzt. Das Gegenteil ist der Fall. Gehen Sie durch eine typische deutsche Großstadt. Den Großteil der Objekte würden Sie bei früher Einbeziehung in die Planung besser mit seriellem Holzbau umsetzen können, und Sie würden es von außen betrachtet nicht mal erkennen.

Aber serieller Holzbau ist einfach teurer und oft zu teuer!

Roland Kühnel: Nein, wenn Holzbauer rechtzeitig einbezogen werden, bieten sie marktfähige Preise. Umplanungen mineralisch geplanter Objekte oder Beharren auf ungünstigen Planungen hingegen machen den Holzbau teurer. Viel wichtiger ist, dass die bisher geltende wirtschaftliche Betrachtung von Bauvorhaben wichtige Kosten außer Acht lässt und sie auf die Allgemeinheit verlagert, Stichwort CO2-Preise. Insbesondere bei öffentlichen Vergaben fehlen vergaberechtlich sichere Bewertungskriterien, um die Nachhaltigkeit verschiedener Bauweisen auch finanziell in die Angebotsbewertungen eingehen zu lassen. Hier gibt es zum Beispiel über sog. Schattenpreise bereits gute Ansätze, die in einzelnen Bundesländern bereits Anwendung finden.

Über Timpla

Die Timpla GmbH baut mehrgeschossige Häuser im seriellen Holzmodulbau. Alle Bauteile wie Wandaufbauten, Decken oder technische Einbauten sind bereits digital konstruiert und in einem digitalen Bauteilkatalog gebündelt. Timpla passt diese digital an individuelle Anforderungen der Kunden wie Grundstücksmaße, Oberfläche/Fassaden und Wohnungsmixe uvm. an. Auf diese Art baut Timpla individuelle Gebäude aus standardisierten Bauteilen, denen man die serielle Fertigung nicht ansieht. Timpla sieht sich daher als Treiber der Bauwende zum nachhaltigen und schnellen Bauen und Teil der Lösung für die Wohnungsbau- und Klimakrise.

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