Neue Ausbildungskonzepte für den Bau sind gefragt
Anna Reimann und Andree Schölzel: „Was uns als Ausbildungsbetrieb auszeichnet ist, dass wir sehr geduldig sind mit den Azubis.“ | Foto. B_I/B. Stahn

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Zwar verkündete die Soka-Bau im November 2019 eine positive Entwicklung am Arbeitsmarkt und verwies mit 39.200 Auszubildenden auf den höchsten Stand seit 2002. Dennoch können solche Meldungen nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Bau in einem zweifachen Dilemma steckt: Nicht nur bleiben rund 15 Prozent der offenen Lehrstellen unbesetzt, jeder Vierte beendet seine Ausbildung vorzeitig, so der Berufsbildungsbericht der Bundesregierung. Am Geld liegt das eher nicht, denn Bau-Auszubildende erhalten mit einem Einstiegsgehalt von 850 Euro deutlich mehr als ihre Kollegen in anderen Branchen mit durchschnittlich 515 Euro pro Monat. Für Berufsbildungsexperten liegt das Ausbildungsproblem eher darin, dass Jugendliche falsche Vorstellungen von einem Beruf und kaum Praxiserfahrung haben. Während Jugendliche beispielsweise unfaire Arbeitszeiten beklagen, vermissen Ausbildungsbetriebe mitunter die Motivation bei Auszubildenden.

Bauberufe nicht attraktiv genug?

Die Hegemann-Gruppe mit Hauptsitz in Bremen hätte jungen Menschen nicht nur Ausbildungsplätze für den Bau zu bieten, sondern auch für die gruppeneigene Werft, den angegliederten Stahlbau und für die Nassbaggerflotte. Wenn es denn genügend Bewerber gäbe. Auf die insgesamt rund 1.000 Mitarbeiter der Gruppe kommen rund 30 Auszubildende für den Baubereich. Auch wenn alle Auszubildenden übernommen werden, auch diejenigen, die den Abschluss nicht schaffen, müssten es mehr sein, um in fünf bis zehn Jahren den Betrieb aufrecht zu erhalten, beklagen Anna Reimann und Andree Schölzel, beide verantwortlich für die Berufsausbildung im Unternehmen.

Dem Bau fehlen also die jungen Leute. Warum das so ist, erläutert Andree Schölzel: „Der Bau ist nicht so attraktiv. Warum? Weil die Jugendlichen nicht bei Wind und Wetter draußen sein wollen, weil sie Arbeitszeiten haben, die im Sommer bei etwa sechs Uhr beginnen. Deshalb versuchen die meisten einen Job zu bekommen, bei dem sie nicht unbedingt im Freien arbeiten. Angesagt sind zum Beispiel Mechatroniker.“

Vor der Ausbildung erstmal ein Praktikum

Damit sich Jugendliche ein Bild von ihrem späteren Ausbildungsalltag machen können, bietet das Bremer Unternehmen vor Ausbildungsbeginn immer ein zweiwöchiges Praktikum an. Die Auszubildenden erleben dann, wirklich wie es ist, von morgens sechs Uhr bis nachmittags um vier draußen zu sein. Trennt sich da die Spreu vom Weizen? „Dann sagen schon einige: Das geht so nicht für mich. Das ist dann auch ok. Es ist besser, frühzeitig zu erkennen, dass die Ausbildung nicht zusagt“, so Schölzel. Allerdings habe man dadurch auch etliche unbesetzte Stellen. Lediglich bei den Straßenbauern liege man über dem Bedarf, für den Rohrleitungsbau gebe es allerdings gar keinen Auszubildenden, ergänzt seine Kollegin. Der Straßenbau sei eben beliebter als der Rohrleitungsbau.

Sorge bereitet den Ausbildern, dass nicht so viele ausgebildet werden wie in Rente gehen. „Um den Betrieb aufrecht zu halten und das Unternehmen zukunftsfähig aufzustellen, müssten wir pro Jahr zehn Prozent – gemessen an den Angestellten –, also 30 bis 40 Auszubildende gewinnen“, so Schölzel und Reimann. „Zurzeit wirkt sich das noch nicht dramatisch aus, aber vielleicht in fünf bis zehn Jahren. Die jungen Leute werden uns dann fehlen.“

Tendenz fallend: Die Zahl der Auszubildenden sinkt im Verhältnis zu den Angestellten. Es werden weniger ausgebildet, als in Rente gehen. | Grafik: Hauptverband der deutschen Bauindustrie
Tendenz fallend: Die Zahl der Auszubildenden sinkt im Verhältnis zu den Angestellten. Es werden weniger ausgebildet, als in Rente gehen. | Grafik: Hauptverband der deutschen Bauindustrie

Überbetriebliche Ausbildung erschwert den Kontakt

Haben die Jugendlichen eine Ausbildung begonnen, taucht ein neues Problem auf: Bereits nach einem Monat beginnt eine zehnmonatige überbetriebliche Ausbildung. Das sei so vorgesehen, damit die Auszubildenden zunächst einen Grundstock an Wissen erhalten. „Das ist in der Theorie vielleicht ganz gut, aber wir haben dadurch keinerlei Bindung mit den jungen Leuten. Wir bekommen also keinen richtigen Kontakt mit ihnen.“ Die handwerkliche und schulische Ausbildung in der überbetrieblichen Ausbildung sei zwar sinnvoll, andererseits seien viele der jungen Leute jedoch froh, die Schule gerade hinter sich zu haben. Was ist mit denen, die schulisch starke Defizite haben? Schölzel: „Das wird vor allem im überbetrieblichen Ausbildungsbereich versucht auszugleichen. Unser Unternehmen kann einen betrieblichen Nachhilfeunterricht nicht anbieten, dafür haben wir gar nicht die Kapazitäten.“

Jedem einzelnen eine Chance geben

Mit einer Abbrecherquote von zwanzig Prozent kann das Unternehmen offensichtlich leben, im Bundesdurchschnitt liegt sie bei 25 Prozent. Anne Reimann: „Die Gründe für Abbrüche kennen wir nicht immer, das sind schulische, aber auch familiäre Gründe.“ Dass es sich lohnt, jedem eine Chance zu geben, erläutert sie an einem Beispiel: „Wir haben einen Azubi hier, der schulisch sehr schlecht war und bei uns endlich einen Platz fand. Wir haben ihm eine Chance gegeben, und jetzt ist er einer der besten Auszubildenden. Wir haben ihn übernommen, und er ist jetzt eine starke Kraft, der sich auch weiterbilden möchte. Das unterstützen wir gerne. Also: Man sollte jedem eine Chance geben.“

Die Arbeit mit geflüchteten Jugendlichen würde man im Hause Hegemann gerne forcieren, auch wenn für diese Jugendliche die Ausbildung in Deutschland sehr komplex sei und Sprachdefizite häufig noch ein Hindernis darstellen. Schölzel: „Eigentlich müssten geflüchtete Jugendliche eine Ausbildung mit einfacheren Strukturen bekommen und bei Erreichen der sprachlichen Kompetenz noch einmal zusätzlich ausgebildet werden. Unsere dreijährige duale Ausbildung kennen die Geflüchteten ja gar nicht.“ Seiner Meinung nach müssten Geflüchtete sprachlich mehr unterstützt werden und die Politik dafür mehr Geld zur Verfügung stellen.

Betriebe müssen zu den Schülern gehen

Bei dem Wettbewerb um Auszubildende bedient man sich im Hause Hegemann zunächst des üblichen Instrumentariums von Messen, Schüler- und Jobmessen sowie Schulbesuchen. Bringt das was? „Man kommt immer ins Gespräch, teilweise konnten wir bis zu 20 Gespräche führen. Dadurch haben sich auch Bewerbungen ergeben“, sagt Reimann. Die Zeiten, in denen Schüler sich von selbst beworben haben, sind offensichtlich vorbei. Heute gehen die Betriebe zu den Schülern. Auch Plakataktionen an Schulen wurde schon gemacht. Auch über Trikotsponsering bei Sportvereinen will das Unternehmen auf sich aufmerksam machen. Zusätzlich werden neben der eigenen Website auch die sozialen Netzwerke genutzt: „Wir probieren gerade Instagram aus, das muss aber auch gepflegt werden.“

Gute Arbeitsbedingungen und Benefits

Zwar spielt das hohe Lehrlingsgehalt bei den Auszubildenden durchaus eine große Rolle – aber nicht nur. Gute Arbeitsbedingungen sind auch ein Argument. An Altersvorsorge wird erst später gedacht. Vor allem direkt nutzbare Benefits wie beispielsweise ein Monatsticket sind gute Argumente und ziehen bei den Jugendlichen.

Aufstiegs- und Karriereaussichten etwa zum Vorarbeiter oder zum Polier werden von Jugendlichen durchaus positiv bewertet. Mit weiterführenden Schulen ist sogar eine Qualifizierung zum Bauleiter denkbar. Während die Ausbildungsbetriebe für die Lehrlingsausbildung finanzielle Unterstützung durch die Soka-Bau erhalten, finanzieren die Betriebe die Weiterqualifizierung selbst.

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Was zeichnet einen guten Ausbildungsbetrieb aus? „Eine positive Grundhaltung der Ausbildungsverantwortlichen ist wichtig“, sagt Andree Schölzel. „Berufsausbildung macht Freude. Wir fordern und fördern. Was uns als Ausbildungsbetrieb auszeichnet ist, dass wir sehr geduldig sind mit den Azubis und uns auch Zeit nehmen für deren Probleme. Die Ausbilder haben wirklich das Ohr am Menschen und sind nah an den Jugendlichen dran. Das zeichnet uns aus.“

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