Mit Wasserstoff zur Energie-Unabhängigkeit

Deutschlands Abhängigkeit in der Energieversorgung soll reduziert werden – schneller als geplant. So lautet ein neu formuliertes Ziel der Bundesregierung in Reaktion auf den Ukraine-Krieg. Welche Rolle Wasserstoff dabei zukommen könnte, damit befassen sich die Initiative Ready4H2, eine Studie von Frontier Economics und ein Gemeinschaftsprojekt von Avacon und dem Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW).

Energiewende mit Wasserstoff – so kann es funktionieren
Investitionen in eine kombinierte Strom- und Gasinfrastruktur würden pro Jahr 41 Milliarden Euro weniger kosten als nur auf Elektrifizierung zu setzen. | Foto: Uwe Tölle

Fahrplan für Wasserstoff in Europa

Die europäische Verteilnetzinitiative Ready4H2 hat ihren dritten Bericht, einen gemeinschaftlichen europäischen Fahrplan für die Wasserstoff-Transformation, veröffentlicht. Er bildet einen strategischen Rahmen, in dem Gasverteilnetzbetreiber der verschiedenen Länder ihre Transformationsstrategien zur Versorgung mit Wasserstoff und anderen klimaneutralen Gasen koordiniert und kohärent entfalten können. In Deutschland gehen die Verteilnetzbetreiber dies mit dem von H2vorOrt initiierten Gasnetzgebietstransformationsplan (GTP) nun konkret an.

Florian Feller, Vorsitzender der Initiative H2vorOrt, die Deutschland bei Ready4H2 vertritt, erklärt: „Die europäischen Gasverteilnetzbetreiber können damit einen essenziellen Beitrag zu einer umfassenden Wasserstoffwirtschaft leisten und so die Importe von fossilem Erdgas und Öl und die damit einhergehenden problematischen Abhängigkeiten reduzieren. Hierdurch können die CO2-Emissionen perspektivisch um mehr als 500 Millionen Tonnen pro Jahr verringert und dabei fast eine Million Arbeitsplätze geschaffen werden.“

„Für uns in Deutschland wird Erdgas aufgrund des Wegfalls von Kern- und Kohleenergie kurzfristig eher noch an Bedeutung gewinnen“, so Feller weiter. Umso wichtiger sei es daher, den dominanten Bezug von russischem Erdgas und die Abhängigkeit von anderen fossilen Energieträgern durch den ambitionierten Hochlauf grüner, klimaneutraler Gase und die Transformation der Infrastruktur so schnell wie möglich zu beseitigen.

Ein Hindernis sieht Feller auf politischer Ebene. Es müssen, so sagt er, noch eine Reihe von Entscheidungen getroffen werden, um den Übergang von Erdgas- zu Wasserstoffnetzen rechtlich maximal zu unterstützen und zu vereinfachen.

Bedarf decken ab 2030

Mit den geeigneten politischen Rahmenbedingungen soll der Bedarf an Wasserstoff bis 2030 mehr als gedeckt werden können, so heißt das Fazit einer Studie von Frontier Economics im Auftrag des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs (DVGW). Die Untersuchung hat in verschiedenen Szenarien die mittel- und langfristige Verfügbarkeit klimaneutraler Gase ermittelt. Demnach stehen im Jahr 2030 rund 290 Terawattstunden (TWh) CO2- armer bis klimaneutraler Wasserstoff zur Verfügung. Etwa 60 % davon wären grüner Wasserstoff aus heimischer Elektrolyse und anderen europäischen Ländern. Diese Menge übertrifft um ein Vielfaches alle gängigen Nachfrageprognosen. So geht der Nationale Wasserstoffrat für diesen Zeitraum von einem Bedarf von bis zu 110 TWh aus.

Bis 2045 könnten Industrie, Fahrzeuge sowie Gebäude dann mit einer Energiemenge von 850 TWh versorgt werden. Durch den Import von grünem Wasserstoff beispielsweise aus Ländern Nordafrikas wäre auf lange Sicht sogar ein Angebot von etwa 2.000 TWh denkbar. Dies entspricht mindestens dem Doppelten der Energie, die im klimaneutralen Deutschland der Zukunft benötigt wird.

Für eine solche Transformation sei Deutschland mit seiner Infrastruktur gut aufgestellt und wasserstofftaugliche Endgeräte bereits entwickelt. Der Umbau des Energiesystems ist allerdings nur zu schaffen, wenn alle Optionen ausgeschöpft werden – sowohl der Ausbau erneuerbarer Energien als auch der Hochlauf klimafreundlicher Gase. Nur so lassen sich die enormen Energiemengen decken, die heute noch mit fossilen Rohstoffen erzeugt werden.

Das war der Stand 2019: Die Heizarten Fernwärme, Strom, Wärmepumpe, Heizöl und Gas in Prozentzahlen | Foto: DVGW/BDEW
Das war der Stand 2019: Die Heizarten Fernwärme, Strom, Wärmepumpe, Heizöl und Gas in Prozentzahlen | Foto: DVGW/BDEW

Projekt „20 Prozent Wasserstoff im Gasnetz“

Kürzlich ist ein deutschlandweit bisher einmaliges Gemeinschaftsprojekt von Avacon und dem DVGW in die Endphase für diese Heizperiode gegangen: Im Fläming ist die Beimischung von Wasserstoff im Gasnetz über die zwei Heizperioden 2021/22 und 2022/23 in Stufen von 10, 15 und 20 Prozent geplant.

Das im vergangenen Dezember gestartete Gemeinschaftsprojekt soll zeigen, dass es technisch möglich ist, Wasserstoff zu einem deutlich höheren Prozentsatz in ein existierendes Gasnetz einzuspeisen, als es die Technischen Regeln des DVGW vorsehen. Die Ergebnisse des Projektes sollen nach Angaben des DVGW als Vorbild für den zukünftigen Einsatz von Wasserstoff in Gasverteilnetzen dienen.

In der ersten Stufe, die im Dezember 2021 mit der Inbetriebnahme der Beimischanlage begann, wurden zehn Prozent Wasserstoff über etwa vier Wochen dem Erdgas beigemischt. Damit bewegte sich der Anteil noch in der durch das DVGW-Regelwerk gedeckten Beimischungshöhe. Bei rund einem Drittel der Gasgeräte werden über den gesamten Projektzeitraum Stichprobenmessungen bezüglich der Verbrennungsgüte mit Messungen des tatsächlichen Wasserstoffgehalts vor Ort durchgeführt, um die Einspeisung wissenschaftlich bei allen Einspeisestufen zu begleiten.

Für das Projekt wurde ein Netzabschnitt im Gasverteilnetz von Avacon im Jerichower Land in Sachsen-Anhalt ausgewählt. Dieser eignet sich vor allem deshalb, weil die dort verbaute Netzinfrastruktur repräsentativ für das gesamte Avacon-Gasverteilnetz ist und die Ergebnisse somit übertragbar sind. Bei dem Netzabschnitt handelt es sich um ein Mitteldruck-Verteilnetz mit rund 35 Kilometern Leitungslänge, von dem etwa 350 Netzkunden mit Erdgas versorgt werden. Mit der entsprechenden Menge an Gasgeräten, die vor allem zur Wärmeversorgung dienen, deckt das ausgewählte Netzgebiet eine breite Gerätetechnik ab.

Vor dem Start der Wasserstoff-Beimischung wurden in Zusammenarbeit mit dem Gas- und Wärme-Institut Essen (GWI) und den Gasgeräteherstellern alle bei den Kunden verbauten Gasgeräte erfasst und sowohl betriebs- und sicherheitstechnisch als auch auf Wasserstoffverträglichkeit überprüft. Insgesamt wurden die bislang erhobenen Gasinstallationen mit den Gasgeräten fast zu 100 Prozent positiv bewertet.

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